Das Leben in der Stadt hat seine Vorteile. Geschäfte um die Ecke, Bahnhof in der Nähe. Alles, was man zum Leben braucht, ist irgendwie schnell erreichbar. Je älter ich werde, desto mehr lerne ich das zu schätzen, aber im gleichen Maße wünsche ich mir, möglichst weit weg von der Stadt zu sein.
Landleben. Stille. Einsamkeit. Da, wo ich ursprünglich herkomme, wo meine Wurzeln liegen, wo ich aber nie lange gelegt habe. Dort, wo man das Auto braucht, um zum nächsten Supermarkt zu kommen. Wo der Bus nur sporadisch fährt, wo man tagsüber die Haustür geöffnet lassen kann, ohne dass man sich Sorgen machen muss, das man ungebetene Gäste im Wohnzimmer hat.
Ich bilde mir ein, dass auch die Menschen von einem anderen Schlag sind. Abseits der Städte lebt man vielleicht nicht spontaner, weil man selbst kleinere Erledigungen voraus planen muss, aber man hat einen realistischeren Bezug zu all dem, was das Leben ausmacht. In der Stadt hingegen gibt es Gestalten, die, man möge mir meine Einstellung verzeihen, auch nur in der Stadt in Erscheinung treten.
Am Tresen einer Sandwich-Kette. Eine großflächig tätowierte Kunden mit bunter, zerrissener Hose und weitem Oberteil steht neben mir. Während ich darauf warte, dass mein Sandwich getoastet wird, gibt sie ihre Bestellung auf. Sie ordert ein Vollkorn-Sandwich und fragt danach, ob das Getreide aus Bio-Anbau kommt. Die kleine Sprachbarriere zwischen Kundin und Bedienung verhindert den Abbruch des Verkaufsgesprächs an dieser Stelle; die gemurmelte Antwort des Sandwich-Artist – willkommen in der Stadt – interpretiere ich als nein, die Kundin scheint sie nicht zu verstehen, also geht’s weiter. Sie nimmt das Vollkornbrot und hätte darauf gerne Hühnchenfleisch. Nun folgt die Rückfrage der Bedienung:
„Käse?“
„Ja, haben Sie veganen Käse?“
Dieser Satz lässt mich hellhörig werden. Neben mir auch die zweite Bedienung, die sich, die Hand noch lässig am Toaster haltend, der Konversation aufmerksam zuwendet. Meine Blicke schweifen vom Vollkorn-Sandwich über das gerupfte Huhn auf den irritierten Blick des jungen Kollegen.
„Was?“
„Ja, veganen Käse? Haben Sie veganen Käse?“
„Wir haben Scheibenkäse, Frischkäse oder Cheddar.“
„Aber ist der vegan? Einer davon wenigstens?“
Ich kann mir das Schmunzeln nicht mehr verkneifen und muss meinen Blick auf den Toaster richten. Der toastende Kollege, der offenbar sehnsüchtig auf das Pling des Toasters wartet, um weiterarbeiten zu können, schmunzelt, aber bleibt konzentriert bei der Sache.
„Sie wollen Cheddar?“
„Nur wenn der vegan ist!“
„Also keinen Cheddar?“
Man merkt, dass einer der beiden Gesprächsteilnehmer langsam die Geduld verliert, während die andere doch nur veganen Käse auf ihr vermutlich weniger veganes Hühnchen haben möchte. Dann mischt sich die zweite Bedienung ein.
„Nein, wir haben keinen veganen Käse. Weder der Cheddar ist vegan, auch nicht der Scheibenkäse.“
„Und der Frischkäse?“
„Auch der nicht. Kein veganer Käse hier.“
„Ach so. Okay.“
Ich bin geneigt, mich meiner Tresennachbarin zuzuwenden und sie zu fragen, ob ihr bewusst ist dass ihr Hühnchen ganz gewiss auch nicht vegan ist, aber ich möchte die Situation nicht unnötig verkomplizieren.
„Na gut, dann nehme ich Frischkäse.“
Als hätte sich jemand was dabei gedacht, wird exakt in diesem Moment mein Sandwich fertig getoastet. Keiner der Anwesenden – bis auf die teilweise vegan lebende bunte Hose – kann sich das Lachen verkneifen.
Sowas erlebt man tendenziell eher in der Stadt. Dort, wo es scheint als ob sich komische Menschen ansammeln, die weiter entfernt von der Stadt eine eher geringe Erfolgsquote bei ihrer täglichen Jagd nach Lebensmitteln aufweisen würden.