Krankes Haus

Man hofft immer, dass es einen selbst niemals erwischt, wenn man einen Rettungswagen mit Leuchtreklame und Musik an einem vorbei rauschen sieht. Leider kommt es irgendwann aber doch dazu. So wie bei mir, als ich vor wenigen Wochen aufgrund eines Autounfalls einen Fahrschein für eine Blaulichtfahrt gebucht hatte. Ich wollte schon immer mal mit Blaulicht und Martinshorn durch die Straße dübeln, saß in meiner Vorstellung dabei aber auf dem Beifahrersitz um dem Erlebnis beizuwohnen. Statt dessen beinhaltete mein Fahrschein einen Liegeplatz in der hinteren Reihe. Ziemlich unspektakulär von dort, wenn man obendrein von der Raserei nichts mitbekommt.

Das Ziel der Reise ist in diesen Fällen sehr häufig ein Krankenhaus. Von denen gibt es bei uns in der Region zwar auch ein paar sehr gute, aber ebenso welche, die den Namen nicht verdienen. Man kann also nur hoffen, dass der Rettungswagen im Fall der Fälle zu einem der besseren fährt. In meinem Fall: Pustekuchen. Es war eins der mittleren Kategorie, ich würde es als guten Drei-Sterne-Bunker bezeichnen. Es war wohl einfach Pech, dort hinausgeworfen zu werden. Denn ein Haus mit 5 Sternen wäre nur ein klitzekleines Stückchen weiter entfernt gewesen.
Verstehen Sie mich nicht falsch, auch in alten Krankenhäusern auf dem Land kann gute Medizin gemacht werden. Wenn aber die Konkurrenz aus einer Universitätsklinik und einem fast noch besseren und bekannteren Städtischen Krankenhaus besteht, die sich mit medizinischen Höchstleistungen ständig gegenseitig übertrumpfen, stellt man sich schon die Frage, warum man selbst nur einen Steinwurf entfernt in einem Lazarett liegt, von dem die Welt noch nichts gehört hat. Aber gut. Erstmal kann man daran nichts ändern.
Es ist nicht so, als hätte ich mich schlecht aufgehoben gefühlt. Aber ich weiß dass man in den anderen Häusern zackiger und professioneller zur Sache gegangen wäre. Wenn das Provinzlazarett etwas gut gemacht hat, hat sich irgendwer umgedreht und mit dem Hintern eingerissen, was die Kollegen mühevoll geklöppelt haben. In erster Linie mangelte es an Kommunikation. Jeder, egal ob Schwester, Assistenzarzt oder Oberarzt, sagte bei jedem Besuch etwas anderes, oftmals im Widerspruch zu den Aussagen der Kollegin, die zwei Minuten vorher mein Zimmer verlassen hat. Auf diesen Umstand angesprochen, entgegneten mir die angesprochenen Personen mit erschreckender Übereinstimmung, dass das in diesem Haus ein bekanntes Problem sei. Knaller! Sie wissen selbst dass es unrund läuft, aber unternehmen nichts. Dabei handelte es sich durchaus nicht um Kleinigkeiten. Es ging schon ans Eingemachte: ja, wir müssen operieren, nein wir operieren wahrscheinlich nicht, wir wissen es noch gar nicht, das wurde noch nicht besprochen, aber ganz gewiss werden wir operieren müssen. Sowas zermürbt den Patienten, ehrlich.
Bei meiner Odyssee durch mehrere Fachbereiche und Stationen gab es nur eine einzige kompetente und gleichzeitig freundliche Schwester. Aufgrund des Maskenballs sieht man leider sehr wenig vom Personal, aber ich glaube, dass sie nicht nur kompetent und freundlich sondern obendrein auch bildhübsch war. Zumindest verrieten das ihre lieben und warmen Augen. Und dieses zauberhafte Wesen sagte am Ende sinngemäß: ich verstehe auch nicht, was hier mit ihnen passiert, es macht vorne und hinten keinen Sinn, ich weiß nicht warum nicht schon lange etwas unternommen wurde, und so wie Sie jetzt nach Hause entlassen werden, ist das eine riesengroße Sauerei. Am liebsten hätte ich ihr einen Heiratsantrag gemacht.

Das Vertrauen zu den Aussagen der Ärzte war also futsch. Mir blieb nach meiner Entlassung nichts anderes übrig, als mich selbst nochmal in einen der 5-Sterne-Bunker zu begeben, um mir dort eine zweite Meinung zu holen. Rückblickend kann man sagen, dass in dem Provinzlazarett in Teilen wirklich gute Medizin gemacht wurde, nur leider wurden wichtige Sachen vertrödelt. Das sorgte für unnötige Verzögerung, stand im Gegensatz zu den Bestrebungen des Gesundheitsamtes, was in meinen Fall involviert war, und hat ganz abgesehen von meinem eigenen Unmut und dem Vertrauensverlust einen enormen, überflüssigen Kostenberg verursacht. Wofür ich drei Wochen stationär gelegen habe, wäre in einem anderen Krankenhaus innerhalb von 12 Tagen effizienter, besser, und professioneller erledigt worden. Leider war es dafür nun zu spät.

Nur für den Fall der Fälle: man sollte sich ein Schildchen um den Hals hängen, um dem Personal des Pflasterlasters im Ernstfall eine Botschaft zukommen lassen zu können, wenn man sich nicht mehr ausdrücken kann: bringt mich unbedingt in den 5-Sterne-Bunker. Die kennen mich, haben meine Unterlagen, und die wissen genau, was sie mit mir anstellen müssen. Bringt mich keinesfalls in das Provinzlazarett, auch wenn ich dort nach wie vor einen Heiratsantrag zu machen hätte.