Weihnachten? Ja. Ostern? Auch. Silvester? Ja. Es gibt aber noch ein immer wiederkehrendes Ereignis, was im Gegensatz zu den Feiertagen einen bitteren Beigeschmack hat: den Besuch des Heizungsablesers. Kennen wahrscheinlich nur Bewohner von Mehrfamilienhäusern. Das sind die kleinen unscheinbaren Kästchen, die an jedem Heizkörper hängen. Ein Mal im Jahr müssen sie abgelesen werden, damit jede Partei im Haus nur die Heizkosten bezahlt, die sie auch verursacht hat. Und dazu kommt dann eben der Heizungsableser zu Besuch und braucht Zugang zu jeder einzelnen Heizung.
Schlafzimmer, Badezimmer, Küche, überall muss er hin. Ein sehr unangenehmer Termin auf so vielen Ebenen. Ich hasse es, wenn jemand in meine Wohnung kommt, den ich nicht kenne. Und dann auch noch in jedes Zimmer. Grauenhaft. Er ist auch nicht besonders beliebt. Denn er hängt eine Woche vor seinem geplanten Besuch, zu dem er sich selbstredend immer selbst einlädt, einen freundlich formulierten Zettel im Hausflur auf. Sinngemäß steht darauf: komme am Donnerstag zwischen 11 und 15 Uhr, Sie müssen da sein, wenn nicht kostet es eine Strafgebühr für eine weitere Anfahrt.
Es schlägt dem Fass den Boden aus. Für gewöhnlich geht mindestens ein halber Urlaubstag dafür drauf. Denn zwischen 11 und 15 Uhr ist sowas von mitten am Tag, dass der halbe Vormittag und der halbe Nachmittag zerrissen werden. Je nach dem wie die Termine liegen, muss ich den ganzen Tag frei nehmen. Denn ich bin berufstätig und hänge nicht standardmäßig tagsüber vor der Glotze. Kann der Idiot seinen Besuch nicht nach den üblichen Arbeitszeiten der Bevölkerung richten? Ich muss auch arbeiten, wenn andere zur Abendgestaltung ein Ticket für eine Fernsehshow kaufen. Und dann die Unverschämtheit mit der Drohung von Extrakosten, wenn man sich erdreistet nicht zuhause zu sein.
Zu Beginn dieses Jahres war es mal wieder so weit. Er hatte sich eingeladen und ich erwartete seine Ankunft, gemeinsam mit den anderen Anwohnern im Mehrfamilienhaus. Hatte was Geselliges. Wir standen im Treppenhaus und haben uns unterhalten. In der Hoffnung dass er kommt, schnell durchs Haus geht, und für alle sonstigen Beteiligten, also auch für mich, der Tag dann normal weitergehen kann. Wer nicht kam, war er. Er war krank. Er hat das aber lieber für sich behalten, wahrscheinlich aus Gründen des Datenschutzes. Mehr als drei Stunden wartete ich, dann bekam ich mit dass – oh Wunder! – auch Nachbarn im Beruf Folgetermine hatten. Einer von ihnen hat dann bei der Firma angerufen. Dort erfuhr man dann von seiner Krankheit. Auf den freundlichen Hinweis, dass sich hier eine halbe Fußballmannschaft voller Anwohner über eine Mitteilung gefreut hätte, um den Tag – Urlaub – nicht sinnlos zu vergeuden, erntete man Unverständnis. Sowas könne ja vorkommen, er könne ja auch mal krank werden. Ja. Kann er. Aber jeder halbwegs bemittelte Handwerker sagt ab wenn ihm fröstelt. Er nicht. Hat er nicht nötig. Idiot.
In der nächsten Woche findet der Ersatztermin statt, an dem er sich wieder auf die freundlichste aller erdenklichen Arten selbst eingeladen hat. Natürlich nicht, ohne auf den freundlichen Hinweis der Extrakosten zu verzichten, wenn wir ihm nicht die Ehre erweisen und seine Ankunft erwarten. Und das Ganze natürlich wieder, ein zweites Mal, zwischen 11 und 15 Uhr. Da geht er hin, der zweite halbe Urlaubstag.
Diesmal wird er sich nicht nur von mir eine Standpauke anhören dürfen. Der Tenor der Pauke: Kundenfreundlichkeit, Zeitmanagement, und noch wichtiger: Alternativen! Schon vor Jahren hatte ich ihn bei seinem Besuch auf die Möglichkeit angesprochen, funkgesteuerte Heizkostenverteiler an den Heizungen zu montieren. Die werden ja eh alle paar Jahre ausgetauscht, da könnte man doch mal mit der Zeit gehen. Würde vielen Menschen viel Ärger ersparen. Seine Antwort war prompt. Nein. Solange er hier in diesem Gebiet zuständig sei, würde es die hier nicht geben. Warum? Weil er mit den manuellen Dingern mehr Geld verdient. Was ist mit meinem ganzen Urlaubstag in diesem Jahr? Und den Urlaubstagen der anderen Anwohner? Dürfen wir ihm dafür kollektiv eine Rechnung schicken? Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. Vollidiot.