Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, habe ich manchmal Scheuklappen auf. Das liegt wohl daran, dass der Kopf einfach nicht so schnell unterwegs ist wie der Körper, und während letzterer schon durch die Wohnungstür gekommen ist, hat ersterer noch ein paar Meter vor sich, bis er ankommt.
So kam es also, dass ich mit Einkaufstasche und Aktenkoffer behangen ziemlich achtlos in meinem Stockwerk aus dem Aufzug getrampelt bin. Dabei wunderte ich mich, dass es im Flur dunkel blieb.
Da aber mein Kopf noch nicht im gleichen Stockwerk war wie ich, konnte ich mir nichts dabei denken und trampelte relativ unbeeindruckt weiter durch die Nacht. Erst als ich achtlos auf irgendeinen Gegenstand trat, und es ein paar Sekundenbruchteile später gewaltig krachte, kam mir der Gedanke, dass hier irgendwas nicht stimmt. Ein leuchtender Punkt erschien im Blickfeld, und im fahlen Schein einer kleinen LED-Taschenlampe in der Größe eines Schlüsselanhängers konnte ich erahnen, was sich zugetragen hatte. Im dunklen Flur stand eine Leiter, und daneben mein Nachbar. Genau genommen lag die Leiter jetzt. Der Nachbar zum Glück nicht.
Er war dabei, die Lampe über seiner Wohnungstür auszutauschen. Wie er das mit der kleinen LED-Funzel überhaupt hinbekommen hat, weiß ich nicht. Vor allem war er ja alleine. Ich stellte mir vor wie er die Lampe mit den Zähnen hielt und mit akrobatischer Eleganz auf der kleinen Leiter balancierte, während er mit zwei Händen die Schlagbohrmaschine in die Decke hämmern ließ. Nein. Das kann so nicht gewesen sein, dann wäre er schon viel früher neben seiner Leiter zum Erliegen gekommen. Meine Gedanken ließen offenbar eine kleine zeitliche Lücke entstehen, was ihn dazu ermunterte, drauf los zu reden. Mit starkem Akzent sagte er, dass die alte Lampe kaputt gewesen sei, sie sei immer an und wieder aus gegangen. Und damit ich verstehe, was er meint, wiederholte er das drei Mal. An und aus. An und aus. An und aus. Da mein Kopf in der Zwischenzeit in der Szenerie angekommen war, hatte ich es beim ersten Mal schon verstanden, sagte aber nichts, sondern ließ ihn weiterreden. Hat er sich verdient, dachte ich mir, denn schließlich wäre er gerade um ein Haar von mir umgeschmissen worden, wenn er noch auf der Leiter gestanden hätte.
„Ist gute Lampe, habe isch Türkei mitgebracht.“ Wie denn wohl ein ganzes Land in die kleine Pappschachtel auf dem Fußboden passen würde, fragte ich mich. Und was Erdogan wohl dazu sagt, wenn sein Land jetzt bei uns im Flur an die Decke gedübelt wird.
Dafür dass ich schon den ganzen Tag im Büro nachgedacht, geschrieben, telefoniert und herumgewuselt habe, war mein Kopf noch ziemlich fit für einen klassischen Feierabend.