Ein unerwarteter Anruf

Es klingelt das Telefon mit einer unbekannten Nummer. Ich erfreue mich an meinem schönen Klingelton und überlege derweil, ob ich den Anruf ignorieren soll oder ob ich ihn annehme, ohne zu wissen, wer mir da mal wieder was unseriöses anbieten will.

Seien wir doch mal ehrlich: die Zahl der Spam-Anrufe nimmt in der letzten Zeit massiv zu. Die Tatsache dass gesetzlich eine Rufnummer übertragen werden muss, hält dubiose Firmen nicht davon ab, ihrem Geschäft nachzugehen. Ich hatte in den letzten Wochen und Monaten immer wieder vermehrt Anrufe aus Großbritannien und Österreich. Den ersten habe ich noch angenommen, weil ich mit Engländern und Österreichern zusammenarbeite und es für einen geschäftlichen Anruf hielt. Bis mir sehr schnell auffiel, dass sie immer von der selben Nummer, aber einer anderen Nebenstelle kommen. In Spitzenzeiten mehr als zehn Anrufe pro Tag, manchmal für ein paar Tage keinen.
Als ich sie noch angenommen habe, fragte immer ein schlecht Deutsch sprechender Mensch nach einem Herrn Muñoz. Der bin ich nicht, das habe ich bei den ersten drei Anrufen noch freundlich gesagt: „Tut mir leid, sie haben den falschen, ich bin nicht Herr Muñoz und habe mit ihrer Firma auch nichts zu schaffen. Seien sie so nett und löschen sie die Nummer. Und rufen Sie mich nie wieder an.“ Wahrscheinlich hat der Idiot am anderen Ende verstanden: „Hallo ich bin Herr Muñoz und freue mich sehr über ihren Anruf! Tun sie mir einen Gefallen: gehen Sie mir weiter auf den Sack, sie können gerne immer wieder anrufen.“ Denn, was soll ich sagen, er rief immer wieder an. Aus England, aus Österreich, immer mit einer leicht abweichenden Telefonnummer, so dass die Blockade einer einzelnen Nummer in meinem Handy niemals ausreichte. Derzeit habe ich etwa vierzig blockierte Nebenstellen gespeichert, und ich möchte nicht wissen wie viele noch dazu kommen.

Mir geht das ganz gehörig auf die Nerven. Meiner schnellen Recherche nach kann man nichts machen, weil eine Beschwerde bei der zuständigen Behörde in Deutschland nur für Anrufe aus dem deutschen Telefonnetz möglich ist, außerdem erst nach einer Reihe von 531 Fragen, die man über den Anrufer beantworten muss. Darunter: wann und wie oft rief er an, welche Firma, welcher Name, welche Blutgruppe, und war der Anrufer eher ein Bariton oder ein Tenor.
Das interessiert mich nicht, und ich möchte auch nicht protokollieren, wie viel Lebenszeit und Nerven mir damit gestohlen werden. Ich will einfach nur, dass denen einer das Handwerk legt. So wie bei Spam-Mails, die im Gegensatz zu den Anrufen massiv abgenommen haben. Ich bekomme nur noch alle Jubeljahre mal eine, und die schon mit dem freundlichen Hinweis meines Mailproviders, dass es sich höchstwahrscheinlich um Spam handelt. Wie auch immer sie es machen, sie machen es gut. Können Vodafone, Telekom & Co. es in Zeiten von IP-Telefonie damit nicht genau so machen?

Es klingelt das Telefon schon wieder mit einer unbekannten Nummer, diesmal aus Berlin. Ach schau an, denke ich, die ignoriere ich mal geflissentlich, denn ich kenne niemanden in Berlin und wenn meine Versicherung oder meine Bank etwas von mir wollen, schreiben sie eine Mail. Aber auch die Berliner Nummer ist sehr hartnäckig. Also lege ich mir meinen Satz parat: „Hallo, mein Name ist Muñoz, schön dass Sie anrufen!“ Dem Idiot am anderen Ende würde doch vor Schreck der Telefonhörer in den Kaffee fallen, wenn sich ein Herr Muñoz meldet, denn er weiß ja ob seines niederträchtigen Berufes, dass es im ersten Moment irgendwer ist, aber kein Herr Muñoz, denke ich mir. Doch die Stimme überrascht mich.
„Wer ist da? Muñoz? Oh, da habe ich mich verwählt, das tut mir leid!“ Neinneinnein, stottere ich, selbst leicht verwirrt. Ich sei nicht Herr Muñoz, sondern – ach, Sie wissen schon.
Also erkläre ich der freundlichen Stimme die Leier. Sie findet’s lustig, entschuldigt sich aber trotzdem nochmal. Dann stelle ich die alles entscheidende Frage: was ist denn nun der Grund ihres freundlichen Anrufs? „Ach so, ja, warten Sie. Also Sie sind ja nun schon seit 25 Jahren Fördermitglied des WWF, und da wollten wir uns einfach mal persönlich bedanken.“ Es folgt ein kurzes aber äußerst freundliches und lockeres Gespräch. Wahrscheinlich hat meine Muñoz-Geschichte das Eis gebrochen. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass die Anruferin in Berlin sitzt und ich ganz weit weg, dann hätte ich sie sehr gerne zum Kaffee eingeladen um sie persönlich kennenzulernen. So wie das Gespräch verlief glaube ich, dass sie nicht abgeneigt gewesen wäre.

Man kann auch mal Glück haben mit unbekannten Rufnummern.