Während der schwierigen Zeit zu Beginn dieses Jahres haben viele Unternehmen ihre Mitarbeiter aus dem Homeoffice arbeiten lassen. Solange die Präsenz in der Firma nicht zwingend erforderlich ist, weil der Mitarbeiter ein Werkstück am Fließband bearbeiten muss oder aus anderen Gründen persönlich vor Ort gebraucht wird, gibt es ausreichend technische Möglichkeiten, durch die die Arbeit von zuhause aus einfach und komfortabel wird.
Der Widerstand gegen die Arbeit aus dem Homeoffice war seit Jahren bei meinem Arbeitgeber groß. Zugegeben, es kann aus betrieblichen Gründen nur eine sehr geringe Zahl an Mitarbeitern aus dem Homeoffice arbeiten denn bei den meisten ist die Präsenz erforderlich, ohne die wir unser tägliches Geschäft nicht durchführen können. Aber gerade in der Verwaltung und der Buchhaltung besteht kein Grund, ins Büro zu kommen. Generell überall dort, wo der Arbeitstag am Schreibtisch, vor dem Computer und mit dem Telefon verbracht wird, funktioniert die Arbeit von zuhause reibungslos.
Davon mussten erstmal die Mitarbeiter überzeugt werden. Viele sagten, sie könnten sich nicht vorstellen wie es sei, aus dem heimischen Wohn- oder Arbeitszimmer heraus zu arbeiten. Das ginge ja auch nicht, da wäre man ja nicht produktiv. Ich will es kurz machen: es ging am Ende so weit dass manche sagten, sie könnten sich vorstellen, ausschließlich aus dem Homeoffice zu arbeiten. Sie waren ehrlich und gaben zu, dass sie es zu Beginn falsch eingeschätzt hätten und vollkommen zu Unrecht skeptisch gewesen seien. „Ich bleibe so lange wie es geht zuhause. Und dann noch weiter, denn es funktioniert super.“ Sehr schön, sowas zu hören, insbesondere vor dem Hintergrund dass es unsere IT den Mitarbeitern nicht einfach gemacht hat und sie mit der umständlichsten, aufwändigsten und am wenigsten komfortablen Methode fürs Homeoffice ausgestattet hat.
Wir haben eine extrem restriktive IT-Abteilung. An den Arbeitsplatzrechnern ist nichts erlaubt. Jetzt mögen Sie denken, dass das ja üblich ist in Firmennetzwerken, schließlich geht es um Datenschutz und Betriebsgeheimnisse. Grundsätzlich richtig, aber stellen sie sich einen Computer und das Netzwerk vor, das so extrem eingeschlossen ist, dass noch nicht einmal normale und übliche Arbeitsweisen möglich sind. Die Mitarbeiter dürfen die Verwaltungssoftware benutzen und das Office-Paket, ansonsten ist nichts erlaubt. Man darf das Hintergrundbild des Computers nicht ändern, die Zeigergeschwindigkeit der Maus oder die der Tastaturwiederholung. Jede Funktion, die das Betriebssystem durch den Administrator sperren lässt, ist gesperrt. Mauszeiger und Hintergrundbild stehen sinnbildlich für die einfachsten Funktionen, die der Mitarbeiter nicht beeinflussen darf. Alles andere ebenso wenig. Es sind keine USB-Sticks erlaubt, die USB-Ports sind blockiert. Der Mail-Server löscht ungefragt alle Anhänge außer DOCX, XLSX und PDF. Es gibt nichts, was zugelassen ist. Benutzerrechte sind nicht eingeschränkt, sie sind schlicht nicht existent. Für einen technischen Betrieb, in dem viel mit den Computern gemacht werden muss, ist das ein absolutes No-Go. Noch nicht einmal der Bedarf des Top-Managements wird respektiert. Es gibt Diskussionen über die Verwendung von Software, und selbst wenn der Geschäftsführer im Raum steht scheut sich die IT nicht, die dunkelsten Horrorszenarien zu skizzieren, weil jemand vom Top-Management die Software Paint auf dem Rechner braucht.
In meiner Vorstellung ist die IT eine Service-Abteilung. Sie hat dafür zu sorgen, dass die Menschen mit den Computern arbeiten können, und dass die Computer den Menschen so viel Arbeit wie möglich abnehmen. Denn dazu sind sie da.
Bei meinem Arbeitgeber ist es andersherum. Der Computer kann und darf erstmal überhaupt nichts, nur nach monatelangem Gezeter und tausend Formularen wird die Funktion des Bildschirmschoners am Computer aktiviert. Alles aus vorgeschobenen Gründen des Datenschutzes. Auch wenn der Bildschirmschoner nichts mit Datenschutz am Hut hat, unsere IT findet Argumente, die ihn dennoch zum höchsten Sicherheitsrisiko erklären. Ich kann dieser Art von Arbeit nichts abgewinnen, sie ist einschränkend, bevormundend, vollkommen überzogen, unterbindet moderne Arbeitsweisen und erhöht den Mehraufwand weil man ständig um blockierte Funktionen herum arbeitet. Mitarbeiter lassen sich dringende geschäftliche Mails an ihre privaten Accounts schicken, weil sie wissen dass sie niemals im Firmennetzwerk ankommen werden, wenn ein anderes Dokument als ein PDF angehangen ist.
Vor diesem Hintergrund kann man sich vorstellen, wie Homeoffice vor Corona funktioniert hat: überhaupt nicht. Teufelswerkzeug! Sobald wir das einsetzen, gehen Firmendaten verloren, die Welt geht unter, wit können nicht mehr arbeiten und werden wegen Verletzung der DSGVO vor den Kadi gezerrt und müssen Millionen an Strafe zahlen. Das sind die Horrorszenarien, mit denen die IT das Management im Griff hat, weil einfach niemand da ist, der dem endlich Einhalt gebietet.
Und dann kam Corona. Plötzlich musste es gehen.
Wie ging es? Aus technologischer Sicht absolut beschissen. Dennoch hat’s den Mitarbeitern gefallen, was mich um so mehr gewundert hat. Unsere Antwort auf Homeoffice war Teamviewer. Sonst nichts. Und auch der war so restriktiv administriert, dass man nur zeigen, klicken und tippen durfte.
Teamviewer hin oder her, wenn der die hohe Auflösung des Büro-PCs auf einen Laptop zimmert, dann hängen die Mitarbeiter mit einer Lupe vor dem Computer und können die 8-Punkt große Schrift kaum lesen. Noch nicht einmal die Anpassung der Displayauflösung an den heimischen Monitor war erlaubt.
Man hätte so viel machen können. Und mit so viel Komfort für jeden einzelnen. Es tut einem in der Seele weh, dass ein modernes technisches Unternehmen dermaßen in der Steinzeit hängen geblieben ist. Noch nicht einmal aus guten Gründen, sondern einfach weil unsere IT-Abteilung zu viel Macht und das Management zu wenig Durchsetzungsvermögen hat.
Ich erzählte von Bekannten, die in altbackenen Unternehmen wie der Versicherungsbranche arbeiten, oder der Bauindustrie. Denen traut man weniger Innovationsfreudigkeit zu als einem vordergründig agilen und modernen Medienbetrieb. Die haben uns aber locker überholt, während wir auf dem Standstreifen stehen und unsere Karre nicht ans Laufen bekommen.
Da bekommt man einen Laptop in die Hand, und der ist so vorbereitet dass man ihn nur ins heimische WLAN hängen muss, und schon findet er vollkommen von alleine und sicher seinen Weg ins Firmennetzwerk. Der Mitarbeiter arbeitet so als säße er am Schreibtisch. Ohne Teamviewer. In einem anderen Beispiel aus meinem Bekanntenkreis wurde selbst die IP-Telefonanlage der Firma getunnelt und man hatte das Firmentelefon mit der Firmenrufnummer zuhause auf dem Schreibtisch stehen. Einen Kollegen an einer anderen Nebenstelle anrufen? Kein Problem. Bei uns hingegen laufen abenteuerliche Kosten für Mobiltelefonie auf. Heutzutage ist so viel einfach, schnell und vor allem auch sicher möglich, es sei denn man hat eine katastrophal restriktive IT.
Ich wurde gefragt: wie ist es bei Dir? Mir ist es peinlich gewesen, die Frage zu beantworten. Ich sagte „Teamviewer“. Gelächter von den anderen. Telefonie? Nein. Was ist mit datensparenden VPNs? Nein, Teamviewer und immer schön ein paar Megabit für die Videoübertragung.
Wenn ich im Management sitzen würde, wäre eine meiner ersten Entscheidungen, bei meinem Arbeitgeber für eine zeitgemäße IT zu sorgen. Sowohl in-house als auch extern. Das muss noch nicht einmal viel kosten, denn auch mit einfachen Mitteln kann man sicher und verschlüsselt eine große Menge an Schreibtischen auf die Balkone und Wohnzimmer der Mitarbeiter verlagern. Das kann unser bestehender Personalstamm durchaus leisten, er muss nur seine Denkweise ändern. Wenn man die Energie, die derzeit verwendet wird um unsere IT einzumauern und zu kastrieren, umlenkt und dazu verwendet eine agile, serviceorientierte und sichere IT zu bauen, bekämen wir das beste Netzwerk, was man sich vorstellen kann. Man muss es nur machen, anstatt immer und immer wieder vollkommen absurde Bedrohungsszenarien aufzubauen, und damit die weniger kompetenten Firmenchefs in Schockstarre zu versetzen, nur um von der eigenen Angst abzulenken.