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Mache ich mir eigentlich zu viele Gedanken, wenn ich nicht möchte dass meine ganz persönlichen Daten wie Telefonnummer, Geburtsdatum oder meine Adresse bei diversen Diensten oder Online-Portalen umherschwirren? Den meisten Menschen ist dieser Umstand offenbar gleichgültig, so freizügig wie sie damit um sich werfen. Um einen Dienst kostenlos zu bekommen sind sie bereit, Daten von sich preiszugeben, ohne zu wissen was damit passiert und ob sie möglicherweise Konsequenzen in Kauf nehmen müssen. Oh, da gibt es etwas umsonst! Einen Messenger, ein Mail-Portal, eine Kundenkarte!

In solchen Fällen denke ich immer kurz nach und frage mich nach dem Geschäftsmodell des Anbieters. Womit verdient er sein Geld, wenn doch sein Produkt kostenlos zu haben ist. Es müssen also die Daten sein, die ihm freiwillig durch die Nutzung preis gegeben werden. Meine Daten. Die, die ich in der App oder auf dem Gerät gespeichert habe, oder der Einkauf, über dessen Inhalt er genauestens informiert wird. Möchte ich das? Eigentlich nicht, oder?

Da gibt es das Beispiel des allseits beliebten Messenger-Dienstes, der de facto die SMS als Mitteilungsdienst Nummer eins abgelöst hat. Unter dem Vorwand der Nutzerfreundlichkeit, damit man einfach und schnell sieht, wer diesen Dienst außer einem selbst noch verwendet, wird gleich das ganze Adressbuch aus dem Handy übertragen, damit die eingetragenen Kontakte mit den Daten der anderen Nutzer abgeglichen werden können. Dass dabei auch Daten von Personen zum amerikanischen Konzern wandern, die den Dienst überhaupt nicht verwenden, wird billigend in Kauf genommen. Moment! Es sind doch aber meine Daten! Wenn ich davon ausgehe, dass in den Telefonbüchern der anderen weit mehr als mein Name und meine Handynummer hinterlegt sind, wird mir schwindelig. Denn dann kennt der amerikanische Konzern von mir alles. Mein Geburtsdatum, meine Handynummer, meine Festnetznummer, meine private und dienstliche Adresse, ebenso meine private und dienstliche E-Mail Adresse, vielleicht auch meinen Spitznamen. Doppelt und dreifach abgesichert durch den Kreuzvergleich über mehrere übertragene Adressbücher von verschiedenen Personen.

Weiter gedacht: der Konzern kennt also auch meine Kontakte. Es ist ein Klacks meinen Freundeskreis herauszufiltern, meine Arbeitskollegen, mein soziales Umfeld einzugrenzen und sich ein ziemlich klares Bild über mein Leben zu verschaffen. Dieser Konzern weiß erschreckend viel über mich. Die Daten ergeben ein sehr genaues Bild von mir. Und wenn sie zusammengeführt werden mit den Daten anderer Personen, dann entstehen viele weitere Details. Lebensumstände, Beziehungsstatus, sozialer Stand entnommen aus der Wohngegend, eventuell sogar Schätzungen über finanzielle Situation, Hobbies und Interessen, sehr gewiss sogar auch Fotos von mir auf denen ich markiert wurde ohne es je zu wissen. Je nach Art und Umfang der Daten ließe sich also ein noch viel detaillierteres Bild zeichnen.

Ich bin doch gar kein Kunde bei dem Konzern. Ich möchte nicht, dass er etwas über mich weiß, und erst Recht nicht so viel. Kann ich aber etwas daran ändern? Nein. Genau genommen doch. Ich müsste jeden verklagen, der den Dienst verwendet und mich als Kontakt in seinem Telefonbuch gespeichert hat. Ist das realistisch? Ich glaube kaum. Selbst wenn ich das täte, würde ich mich wahrscheinlich eher selbst sozial ins Aus schießen, weil niemand mehr mit mir sprechen wollen würde und meine Daten aus den Telefonbüchern verschwinden würden. Und somit würde auch ich aus den Leben der Menschen verschwinden. Dabei will ich doch nur, dass meine Daten dort bleiben, wo ich sie hingebe.

Ohne zu übertreiben kann man sagen, dass alleine dieser eine Konzern mehr Wissen über Menschen und ihr Leben angehäuft hat als jedes Einwohnermeldeamt in Deutschland. Aber über den Datenschutz in unserem Staat machen sich die Menschen Gedanken und fühlen sich in ihren Grundrechten eingeschränkt, wenn nur ein kleiner Informationsfetzen über sie von einer behördlichen Einrichtung gesammelt werden soll. Ich stelle mir gerade vor, wie die Bosse der besagten Konzerne an ihren Rechnern sitzen und sich vor Lachen nicht mehr auf dem Stuhl halten können. „Wie dumm sind diese Menschen, dass sie annehmen wir würden das alles nur aus Spaß an der Freude machen? Wenn die wüssten was wir alles über sie wissen, und welche Informationen wir erlangen wenn wir Daten miteinander vergleichen und unsere leistungsfähigen Computer mal ein paar Tage rechnen lassen!“ Corona-Tracking-App? Gibt es schon. Zwar nicht das Frontend, aber das Backend läuft schon sehr stabil bei Facebook in den USA. Während man sich hierzulande über den Datenschutz echauffiert und einfach nicht zu Potte kommt, laufen in der Welt schon mehrere Dienste, die über alle notwendigen Daten verfügen. Sie haben sie nur noch nicht ausgewertet – zumindest würden sie es offiziell nie zugeben. Wer hat wen wann gesehen, wo und wie lange, und welche Infektionskette können wir aufgrund der Kontakte und der Häufigkeit der ausgetauschten Mitteilungen als wahrscheinlich ansehen und welche können wir gänzlich ausschließen? Von den Inhalten der Nachrichten mal ganz zu schweigen.

Bei kostenlosen Diensten sollte man sich häufiger die einfache Frage stellen: wer ist Kunde und was ist das Produkt. In der Welt der „sozialen“ Netze ist der Mensch das Produkt. Der Mensch ist nicht der Kunde, auch wenn ihm das immer wieder vorgegaukelt wird.

Auch bei den allseits beliebten Punkte-Sammelkarten sieht es doch nicht anders aus. An der Supermarktkasse zückt man schnell die Treuekarte, um für jeden ausgegebenen Euro ein paar schmale Punkte zu ergattern. Nach gefühlten drei Jahren des eifrigen Punktesammelns bekommt der treuglaubende Kunde einen Bonus in Form eines Blumentopfes im Wert von zehn Euro. Was aber in der Zwischenzeit mit den gesammelten Daten passiert ist, wie oft Kondome gekauft wurden, wie oft Alkohol und welche Sorte, ob man lieber an die Wursttheke geht oder abgepacktes Fleisch gekauft hat, und ob man doch eher zu den Plätzchen als zu gesundem Obst gegriffen hat, das interessiert einen ganz gewiss nicht: den Kunden. Der ja, wie wir lernten, das Produkt ist. Und sich wundert wieso er Werbung bekommt, die erschreckend genau auf seine Einkaufsgewohnheiten passt. Woher wissen die nur, was ich gerne essen mag? Das ist ja komisch! Naja, was soll’s, ich bekomme ja nach vier Jahren einen Topflappen umsonst.

Mir sind solche Geschäftsgebaren zuwider. Ja, zuwider trifft es ganz gut und ist keinesfalls übertrieben. Ich nutze aus Überzeugung keine Kundenkarten und keinen kostenlosen Messenger, auch wenn mich das sozial ein bisschen ins Abseits katapultiert hat. „Man kann dich ja gar nicht erreichen!“ Doch, kann man. Mit einer SMS, telefonisch, oder mit einem Messenger, der mich ein bisschen Geld gekostet hat aber nachgewiesenermaßen sicher ist und meine Daten und die der anderen auf meinem Endgerät niemals zu Gesicht bekommen wird.

Ich habe nichts zu verbergen. Das ist das dumme Argument derer, denen nichts anderes mehr einfällt. Meiner Meinung nach ist es eine Kapitulation vor der Realität. Ich bin keinesfalls altbacken. Ich verwende Computer, Smartphone, Tablet, Kreditkarte, ich habe einen hochgradig technisch geprägten Beruf und bin ein Freund von diversen technischen Spielereien. Vielleicht ist das der Grund warum ich mir einbilde, ein bisschen besser durch die Materie durchzusteigen als andere. Ich weiß was mit Big Data, ausreichend Rechenleistung und ein paar Festplatten möglich ist. Deswegen ist es mein Ziel, mich weitestgehend digital zu isolieren, während ich gleichzeitig von den Vorteilen sämtlicher neuen Technologien profitieren will. Dieser Spagat funktioniert. Man muss nur wissen wie. Und mit den Beispielen des Messengers und der Kundenkarte kratze ich nur an der Oberfläche.