Es war das richtige Wetter zum Fahrradfahren. Ein paar Wolken am Himmel, zwischendurch vereinzelt Sonnenstrahlen, nicht zu warm, nicht zu windig, nicht zu kalt. Für den ungeübten Fahrer, also mich, konnte es nicht besser sein. Um den direkten Vergleich zwischen einem normalem Fahrrad und einem E-Bike zu bekommen, schlug mir ein guter Bekannter vor, gemeinsam mit ihm eine Tour ins Bergische Land zu machen. Von der Idee, eine kurze Runde zu drehen, hielt mein Bekannter nichts. Wenn ich schon den direkten Vergleich fühlen wollte, müssten wir auch dort fahren, wo man den Unterschied merkt. Also ab ins Hochgebirge. Prost Mahlzeit dachte ich, und rechnete mit handfestem Muskelkater für die nächsten paar Tage.
Am späten Vormittag brachen wir auf. Zu zweit, mit zwei Rädern: ein E-Bike und ein normales Fahrrad. Auf den ersten Metern blieb ich meinem bisherigen Vorhaben, ein normales Rad kaufen zu wollen, treu. Denn es fühlt sich irgendwie merkwürdig an, wenn man auf einem E-Bike in die Pedale tritt und der Vortrieb nicht zu der aufgewendeten Trittkraft passt. Aber es war weniger schlimm als gedacht, und nach wenigen Minuten gefiel mir das Fahren mit der elektrischen Unterstützung besser als ich es erwartet habe.
Das Vorhaben, ein normales Fahrrad zu kaufen, entsprang dem Wunsch nach Bewegung und Sport. Ein E-Bike habe ich damit bisher nicht in Verbindung gebracht. In meinem Kopf war das E-Bike für Menschen gedacht, die entweder faul oder gesundheitlich eingeschränkt sind. Beides bin ich nicht, zumindest nicht so sehr, dass ich mich nur auf einem E-Bike fortbewegen könnte. Wenn ich also ein Mofa hätte fahren wollen, hätte ich mir ein Mofa gekauft. Solange ich fit bin und Fahrradfahren kann, wollte ich das auch tun. So waren meine Gedanken.
Solange man aber nicht in der höchsten Unterstützungsstufe unterwegs ist, fühlt es sich durchaus wie Fahrradfahren an. Das deutlich höhere Gewicht eines E-Bikes im Vergleich zu einem normalen Rad wird durch eine leichte Unterstützung wett gemacht. Das Resultat: man merkt nicht, dass der Drahtesel durch das ganze elektrische Gebimsel mehr als zwölf Kilo zusätzlich auf die Waage bringt, und das reine Fahrgefühl ist durchaus mit dem auf einem normalen Rad vergleichbar. Wenn man an eine Steigung kommt, strampelt man auch ganz ordentlich, und der Motor nimmt einem nicht zwangsläufig die gesamte Arbeit ab. Etwas Anstrengung ist auch dabei, so soll es ja sein.
Die Fahrt ins Bergische offenbarte einen weiteren enormen Vorteil. Es wurde relativ schnell relativ hügelig, kein Wunder. Schließlich heißt es ja auch Bergisches Land und nicht Flaches Ödland. Nach den ersten drei oder vier Steigungen hätte ich auch als trainierter Freizeitfahrer ganz gewiss schon die erste Auszeit gebraucht, noch bevor ich dort angekommen wäre, wo ich eigentlich hin wollte, nämlich im bergigen Teil des Bergischen Landes. Und wenn ich dann mit hängender Zunge am Ziel angekommen wäre, hätte mir die Vorstellung, den ganzen Weg auch wieder zurück zu müssen, ziemliches Unbehagen bereitet. Mit einem normalen Rad zumindest. Mit dem E-Bike wurden die Hügel aber mit zunehmender Unterstützungsstufe flacher, und wir kamen entspannt und locker am Ziel an. Als ich das erste Mal auf den Tacho schaute, wäre ich vor Erstaunen beinahe vom Rad geflogen: wir hatten schon mehr als 20 Kilometer hinter uns gebracht, und es fühlte sich so an als sei ich gerade mal zehn Minuten zur Arbeit gefahren. Dabei waren ganz nebenbei auch schon knapp zwei Stunden verstrichen. Ja, wir sind gemütlich gefahren und haben nebenbei die ganze Zeit über Vor- und Nachteile von E-Bikes philosophiert. Je tiefer wir im Bergischen waren, desto mehr jedoch über die Vorteile als über die Nachteile.
Als wir abends in die Stadt zurück gekommen sind, stand meine Entscheidung fest. Es wird entgegen meiner bisherigen Planung nun doch ein E-Bike. Warum? Weil ich bestimmt auch mit einem normalen Rad großen Spaß haben kann, weil ich mit einem E-Bike aber einen größeren Radius erschließe. Eine Tour beschränkt sich dann nicht nur auf drei Stunden und einen Umkreis von zehn Kilometern um den Wohnort herum, sondern es kann schonmal eine ganze Tagestour mit einer Strecke von deutlich mehr als 50 oder 60 Kilometern sein, in einem ebenso großen Umkreis. Und zwar ohne kaputt oder erschöpft zuhause anzukommen. Das empfinde ich als enormen Vorteil. Natürlich schlägt ein E-Bike deutlich teurer zu Buche, aber langfristig habe ich damit ganz gewiss mehr Freude.
Als ich abends die Füße hochlegte, hatte ich das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Ich war an der frischen Luft, habe mich dabei bewegt und streckenweise auch ordentlich strampeln müssen. Ich kam leicht ins Schwitzen, brauchte aber kein Sauerstoffzelt am Wegesrand. Nebenbei bin ich 50 Kilometer geradelt und habe die nahe Umgebung aus einem neuen Blickwinkel gesehen. Am nächsten Morgen hatte ich keinen Muskelkater. Nicht einen Hauch. Nach langem Hin und Her steht meine Entscheidung nun also fest: es wird ein E-Bike. Bestimmt.