Der Fahrradkauf

Mein letztes Fahrrad kaufte ich vor sehr vielen Jahren. Damals wollte ich ein einfaches und günstiges Rad haben, um damit zur Arbeit fahren zu können. Es sollte durchaus auch mal im Regen stehen können ohne dass ich mir Sorgen machen musste. Wenn es gestohlen worden wäre, wollte ich den Verlust einfach verkraften können, deswegen entschied ich mich in erster Linie für ein preisgünstiges Modell. Wie bei so vielen anderen Dingen auch, erkauft man sich aber auch bei Fahrrädern einen niedrigen Komfort und wenig Fahrspaß, wenn man knauserig beim Händler steht. Das war eine ziemlich schmerzhafte Erkenntnis. Es machte eigentlich ab dem ersten Tag nach dem Kauf keinen besonders großen Spaß, damit zu fahren. Es war schwergängig und quietschte und knackte schon im fabrikneuen Zustand. In den ersten Wochen war mir das egal, aber spätestens als ich mal die ein oder andere Fahrradtour machen wollte, verging mir sehr schnell der Spaß an der Sache. An einen Umtausch war natürlich nicht mehr zu denken, weil sich derweil schon das erste Pedal in seine Einzelteile zerlegt hatte und der Händler es gewiss nicht mehr zurückgenommen hätte.

Jetzt möchte ich ein neues Fahrrad kaufen. Aus den Fehlern habe ich gelernt, und ich gebe lieber ein paar hundert Euro mehr aus für ein qualitativ hochwertiges Fahrrad, in der Hoffnung dass die Freude am Fahren länger anhält als ein paar Wochen.

Ein guter Bekannter rät mir zu einem E-Bike. Er selbst fährt tausende Kilometer im Jahr und erledigt alles im Umkreis von 50 Kilometern zu jeder Jahreszeit mit seinem Rad. Solche Anforderungen habe ich natürlich nicht. Ich bin eher der Freizeitfahrer und Berufspendler. Soll es also wirklich ein teures E-Bike sein? Ja, sagt er. Man müsse die elektrische Unterstützung ja nicht zuschalten, wenn man sportlich unterwegs sein möchte, aber alleine die Möglichkeit dazu zu haben wenn man sie am langen Berg – und derer gibt es einige – brauchen kann, sollte einen zum E-Bike wechseln lassen. Mich schockieren die hohen Preise, denn für ein bisschen Freizeitspaß und die Fahrt ins Büro bin ich eigentlich nicht bereit, mehrere tausend Euro auszugeben. Ich habe ein paar E-Bikes probegefahren und muss eingestehen, dass es schon Spaß macht. Aber irgendwie… ich weiß es nicht. Ich würde auch mit einem normalen Rad den Berg hochkommen, nur etwas langsamer. Und wesentlich kostengünstiger. Ganz abgesehen vom Fitness-Faktor. Ich möchte Fahrrad fahren um des Fahrens willen, nicht um zu weit entfernten Terminen zu strampeln. Also kann es ruhig ein bisschen anstrengender sein, wenn eine Steigung vor mir liegt. Meine Tendenz geht nach wie vor zu einem normalen Fahrrad.

Aber auch das ist nicht einfach. Es ist eine Wissenschaft für sich, zwischen den diversen Schaltungen, Bremsen, Gabeln und Rahmen zu wählen. Ich war schon in mehreren Geschäften und bin nur wenig schlauer als zuvor. Mein Bekannter unterstützt mich mit enormem Fachwissen, aber das hilft nur bedingt weiter wenn man selbst absolut keine Ahnung hat. Natürlich wäre mir die beste Schaltung am liebsten, aber ob eine luftgefederte Gabel reicht oder es die 500 Euro teurere sein muss, oder ob die Kombination von Sattelfeder mit anderer Sitzposition vielleicht ergonomischer ist, dass ist mir relativ egal. Ich solle auf die Geometrie achten, sagte er. Und wenn ich auf einem Rad sitze, auf dem ich mich wohl fühle, sollte ich sie mir aufschreiben, dann hätte ich einen Anhaltspunkt zumindest für die Gestaltung des Rahmens. Geometrie? Es wäre gut, wenn die Räder kreisrund sind. Mit allem anderen komme ich wohl zurecht. Um es auf den Punkt zu bringen: es soll leichtgängig sein, es soll gerne auch ein geringes Eigengewicht haben, und ich muss mich darauf pudelwohl fühlen. Was dann an Einzelteilen verbaut ist, interessiert mich nicht besonders. Meine wenigen Wünsche jedoch schlagen sich schon ziemlich auf den Preis nieder. Tausend Euro sind schnell auf der Uhr, und wenn man nicht aufpasst, werden es viel mehr als das. Ist mir aber im Moment egal. Denn was mir nichts bringt, ist ein Fahrrad an dem ich keinen Spaß habe. Dann ist jeder einzelne Euro rausgeschmissenes Geld.

Es wird ein Trekking-Rad ohne Elektromotor, aber mit hochwertigen Bauteilen. Nach ein paar korrigierenden Maßnahmen liegt der Preis nun auch ziemlich genau bei 1.000 Euro, wird sich aber wahrscheinlich noch etwas nach oben verschieben. Das passt ins Budget, damit habe ich ungefähr gerechnet, und ich denke dass ich ein sehr gutes Fahrrad dafür bekomme.

Lustig sind manche anderen Käufer im Laden. Ob der stark untersetzte Herr, der sich auf ein 7.000 Euro teures Rennrad schwingt, wirklich mit dem Gedanken spielt, dieses Rad zu kaufen? Irgendwie passt das überhaupt nicht. Oder ob das junge Mädchen ihren Freund noch davon überzeugt bekommt, doch das einzige pinkfarbene Rad für sie im riesengroßen Laden zu kaufen? Er schaut eher bei den Mountainbikes, doch sie antwortet auf die Frage, warum es denn unbedingt dieses Rad sein müsse, mit einem gesäuselten „Weil es doch pink ist“. Oder der Vater, der Mühe hat hinter seinem kleinen Sohn hinterher zu sprinten, während er mit seinem kleinen Kinderfahrrad flink wie ein Wiesel zwischen den Beinen aller anderen Kunden einen perfekten Slalom hinlegt.

Auch für solche Momente geht man ins Fahrradcenter. Da fehlt noch ein Kaffee und eine bequeme Sitzmöglichkeit, dann kann man einen sehr schönen Nachmittag haben, ganz ohne viel Geld auszugeben.