Kein Job mit Zukunft, II

Einen groben Überblick über die Beziehungen zwischen Fernsehsender, Produktionsfirma und Dienstleistungsunternehmen habe ich in Teil 1 gegeben. Jetzt kommen wir zur Auflösung der Gretchenfrage, mit der Teil 1 endete.

In dieser Dreiecksbeziehung, wer ist da der mächtigste Partner? Nein, es ist nicht der Dienstleister, es ist auch nicht die Produktionsfirma. Es ist der Sender. Natürlich, mögen Sie jetzt denken. Aber so ganz selbstverständlich ist das nicht. Der Sender ist der Endkunde einer jeden Produktion. Er muss sich gezwungenermaßen den Produktionsfirmen bedienen, denn er selbst hat nicht das Personal um alle Inhalte selbst herzustellen. Und die Produktionsfirma ihrerseits ist gezwungen, den technischen Dienstleister zu beauftragen, denn auch sie hat nicht die Mittel, eine Produktion technisch umzusetzen. Die Grundlage, die Basis für die flimmernden Bilder auf dem Fernseher, ist die Arbeit der Dienstleistungsunternehmen. So wie jedes andere Dienstleistungsunternehmen dieser Welt sind sie einerseits abhängig von den Aufträgen ihrer Kunden, aber gleichermaßen ist der Sender abhängig von der Arbeit der Dienstleister. Ohne ein technisch hochwertiges Endprodukt, also die Show, das Konzert oder das Fußballspiel, sieht der Sender ziemlich alt aus.

Der Dienstleister ist auch derjenige, der die höchsten Investitionsrisiken trägt. Denn er muss immer dafür sorgen, dass die Studios und Übertragungswagen technisch perfekt ausgestattet sind und den neuesten technischen Standards gerecht werden. Stichwort HD-Fernsehen, Stichwort 4K oder UHD. Investitionen in diese Technologien muss er vornehmen, noch lange bevor sie von jeder Fernsehanstalt gefordert werden. Denn wenn es so weit ist und ein Konzert oder ein Fußballspiel plötzlich in 4K auf den Bildschirm kommen sollen, dann muss er dies auch liefern können. Er muss die neue Technik beherrschen und produktionssicher einsetzen können. Bei den derzeitigen Lebenszyklen von neuen Technologien ist es leider oft so, dass der nächste Entwicklungsschritt schon im Fachhandel steht, bevor er überhaupt am Anfang der Produktionskette angekommen ist. Menschen kaufen reihenweise 4K-Fernseher, aber flächendeckend in 4K zu produzieren, davon sind wir meilenweit entfernt. In wenigen besonders traurigen Fällen ist die Produktionstechnik für HD-Fernsehen bei den Sendern und Dienstleistern noch nicht einmal refinanziert.

Schwenken wir mal kurz um zu einer Branche, von der ich absolut keine Ahnung habe, aber die die Grundlage für einen Vergleich bieten soll. Die Autoindustrie. Alle paar Jahre kommt eine neue Modellreihe eines Fahrzeugs heraus. Mal verändert sich nur das Design, mal verändert sich die gesamte Technologie des Antriebs. Dafür werden Technologien entwickelt, getestet, verbessert und am Ende in Serie gefertigt. Das kostet Geld. Das kostet sehr viel Geld sogar. Aber das Geld fließt in die richtige Richtung. Denn der Entwickler, der Zulieferer, der Autobauer, alle laden die entstandenen Kosten beim Endkunden ab, dem Autokäufer. Ein neues Auto mit neuer Technologie kostet einen Haufen Kohle. Vollkommen zu Recht. Viele Leute haben lange daran getüftelt und in den ersten Jahren ist die neue Technologie natürlich für den Konsumenten teurer als eine alte Dieselschleuder ohne Airbags und ohne Servolenkung. Versteht jeder. Das meine ich mit: das Geld fließt in die richtige Richtung.

Jetzt ziehen wir mal den Vergleich zu der Branche, in der ich mich besser auskenne. Hier ist es nämlich genau anders herum. Der Endkunde, also der Fernsehsender, gibt den finanziellen Rahmen vor. Ich scheue mich davor zu sagen, dass er den finanziellen Rahmen diktiert, aber in manchen Fällen geschieht auch das. Der Sender sagt: meine neue Show im Hauptprogramm soll Summe X kosten. Aber sie soll bunt, toll, laut, in 4K und das technisch Beste sein, was möglich ist. Der Sender möchte also unserem Beispiel der Autobranche folgend den Tesla mit dem neuen Antriebsstrang, dem größten Ausstattungspaket und Ledersitzen. Und weil er ja der Endkunde ist, also der Autokäufer, sagt er noch dazu: dafür zahle ich Dir die Summe X. Ohne nachgeschaut zu haben vermute ich, dass der Tesla teurer sein wird. Und genau hier liegt das Problem. Die beauftragte Produktionsfirma, die man in unserem Beispiel bleibend guten Gewissens als Zwischenhändler bezeichnen kann, zieht von der Summe X nochmal die Hälfte für die eigene Arbeit ab, geht zum technischen Dienstleister und nennt einen Preis, der jenseits von Gut und Böse ist. Ich brauche das nicht weiter auszuführen, ich glaube der springende Punkt wird deutlich.

Gehen wir nochmal einen Schritt zurück, in die Ausstellungsräume des Autohändlers. Wenn der Kunde sagt, dass er das neue Modell für einen kleinen Preis haben möchte, wird der Händler ihn freundlich darauf hinweisen dass er für Einsfuffzich keinen Tesla bekommt, sondern nur ein Auto das Einsfuffzich wert ist. Und das wird im Zweifelsfalle keine Airbags und keine Servolenkung haben. Und auch die Ledersitze werden schwer. Mit Glück hat die Karre vier Räder. Dem Kunden bleibt nichts anderes übrig als entweder mehr Geld zu berappen oder sich mit dem zufrieden zu geben, was er für sein Geld erwerben kann.

So wäre das normalerweise. Nicht jedoch in der Bewegtbildbranche. Wenn der Dienstleister der Produktionsfirma sagt, dass seine Sendung in hochauflösendem 4K 60 Prozent mehr kostet als vorher, erntet er Verständnislosigkeit. Denn die Produktionsfirma sagt, und das ist kein Witz, denn es passiert tagtäglich in Verhandlungen: Du musst noch 15 Prozent von Deinem Preis abziehen, für den Du die Produktion in den vergangenen drei Jahren gemacht hast, damit wir uns einigen. Und damit nicht genug, denn ab jetzt gilt folgende Vertragsklausel: in jedem Folgejahr unseres Vertrags reduziert sich der Preis automatisch um weitere fünf Prozent. In vier Jahren soll also eine bessere und technisch anspruchsvollere Produktion für 20 Prozent weniger gemacht werden. Der technische Dienstleister muss aber zu diesem Zeitpunkt schon je nach Größe des Studios oder des Übertragungswagens eine hohe 7-stellige Summe investiert haben, damit er diese Anforderungen technisch überhaupt umsetzen kann. Und er muss seine Fachkräfte bezahlen. Und es wäre auch nicht schlecht wenn er seine Investitionen irgendwann wieder raus hat. Bevor der nächste Hype kommt und der nächste Innovationsschritt ins Haus steht, der die vorher getätigten Investitionen komplett ad absurdum führt.

An dieser Stelle fragt man nach dem Geschäftsmodell des technischen Dienstleisters. Und es tut mir wahnsinnig leid, aber ich kann da keins drin erkennen. Solange der Endkunde die Preise diktiert – jetzt habe ich es doch gesagt – und nicht bereit ist für sein Produkt das zu bezahlen was es wert ist, und auch nicht das zu bezahlen was es effektiv in der Herstellung kostet, kommt niemand aus der Schieflage heraus. Denn anders als der Autokunde, der sich die Karre für Einsfuffzich kauft wenn er nur Einsfuffzich hat, geben sich der Sender und die Produktionsfirma damit nicht zufrieden. Am Ende funktioniert es irgendwie. Und ‚irgendwie‘ meine ich wörtlich. Zu Lasten von einem Partner in der Dreiecksbeziehung, während alle anderen jährlich die Boni erhöhen und den Aktionären Traumrenditen ausschütten, weil ja die Produktionskosten um 10 Prozent gesenkt wurden und man gleichzeitig dem Fernsehzuschauer den neusten Fernsehstandard bietet.

Ich hoffe dass deutlich wird, dass das so nicht lange gut geht. Und es geht schon seit Jahren immer schlechter. Der weitere Weg zeichnet sich ab. Man denke jetzt bitte nochmal kurz an das Beziehungsdreieck von Teil 1. Das ähnelt mehr einem Beziehungszweieck mit einer lahmenden dritten Partei.
Das Resultat: Investitionen kann der Dienstleister nicht tätigen. Dringend benötigte Entwicklungsschritte werden ausgelassen in der Hoffnung, sich mit der alten Technik noch möglichst lange über Wasser halten zu können. Das geht eine Weile gut, aber irgendwann knallt es. Jahrelangen entwicklungstechnischen und investitionstechnischen Stillstand kann man nicht in einem Atemzug aufholen. In Zeiten sich wandelnder Technologien liegen Welten zwischen alt und neu. Als Unternehmen und erst Recht als Dienstleister muss man mit den Innovationen Schritt halten, sonst schafft man sich selbst ab. Der Kunde verliert das Interesse, weil er – so wie jeder Kunde in jeder Branche der Welt – ungern Geld für veraltete Produkte ausgibt. Wenn der Dienstleister nicht bieten kann was en vogue ist, fällt er aus der Zeit heraus. Ich unterstelle hochbezahlten Managern von allen drei Parteien in dieser Branche, dass ihnen das bewusst ist. Sie nehmen wissentlich in Kauf, dass sie auf diese Weise an den Ästen ihrer eigenen Unternehmen sägen, und zwar im großen Stil. Wenn das schwächste Glied auseinanderbricht, steht der ganze Produktionsprozess still und ein unverzichtbarer Teilbereich einer Industrie geht vor die Hunde.