Kommunikation im beruflichen Umfeld ist ein sehr schweres Thema. Viel zu viele Leute haben keine Ahnung wie man anständig und sinnvoll kommuniziert. In meinem Umfeld gehe ich einen Schritt weiter und behaupte: niemand hat Ahnung davon. Das soll nicht heißen dass ich der Experte bin, ich habe ohne Zweifel auch große Defizite, das merke ich an mir selbst, aber ich würde mich als den Einäugigen unter den Blinden bezeichnen. Das ist immerhin ein Anfang.
Niemand mag stundenlange Besprechungen im Konferenzraum oder unendlich lange E-Mails. In der heutigen Zeit gibt es so viele alternative Möglichkeiten zur Kommunikation, sei es über Kurznachrichten, über das klassische Telefonat – was noch immer mein Favorit ist – oder über aufwändige und teilweise teure „Collaboration-Tools“, wie sie auf neudeutsch heißen. Also sowas wie Slack zum Beispiel. Man muss sich mal vor Augen führen, wofür diese ganzen Dinge erfunden wurden. Sie sind dazu da, um Menschen, die räumlich voneinander getrennt sind, sei es durch eine Wand zwischen zwei Büros, durch ein Stockwerk im Gebäude, durch eine Straße zwischen den Niederlassungen oder gar durch einen Ozean, miteinander zu verbinden. Denn Gedankenübertragung funktioniert nach wie vor nur sehr unzuverlässig, meiner persönlichen Erfahrung nach. Zeitgleich gibt es, wie in meinem Fall, aufgrund der zeitlich und räumlich oft unterschiedlichen Arbeitswelten mit meinen herzallerliebsten Kollegen nur noch selten die Gelegenheit, sich persönlich in die Augen zu schauen und miteinander zu sprechen.
Somit haben wir also zwei Dinge, die zusammen gebracht werden müssen: die Notwendigkeit von Kommunikation (die hoffentlich niemand bestreitet), und die seltenen Möglichkeiten des persönlichen Gesprächs bei einer Tasse Kaffee.
So toll die neuen Kommunikationsformen auch sind, es bringt nichts wenn sie keiner nutzt. So zum Beispiel Slack. Das kostet den Mutterkonzern einen rechteckigen Haufen Geld im Jahr für die Accounts aller Mitarbeiter europaweit. Bei uns hier in Deutschland nutzt es, pardon, keine Sau. Eigentlich ein tolles Werkzeug, was auch schon oft bewiesen hat dass es gut funktioniert. Nur was hilft es, wenn ich mit mir alleine slacke, das wird relativ schnell langweilig. Vielleicht sollte ich mir öfter mal selbst einen Witz erzählen, doch was ist, wenn ich die Pointe versaue? Ich schweife ab, zurück zum Thema. Hier könnte man schon viel Geld sparen wenn man den Kram aufgibt, den man eh nicht nutzt. Macht aber keiner. Stillschweigend haben alle einen Account, die App hingegen hat niemand, und selbst auf Nachfrage hört man nur sinngemäß „was soll der Scheiß, da mach‘ ich nicht mit“. Und das ist noch sehr freundlich formuliert. Gut, denke ich mir, dann halt anders.
Über Monate, ach, was sage ich, über Jahre hinweg habe ich bei unserer IT und der Geschäftsleitung genörgelt und gedrängelt, dass wir einen Cloudspeicherdienst brauchen. Jetzt mag der Fachmann sagen: was für’n Blödsinn, wofür denn das? Keine Panik, die Antwort kommt gleich. Also hab ich Konzepte vorgelegt, Plädoyers geschrieben, Vor- und Nachteile sachlich aufgezählt. Viel Arbeit. Die meisten Mitarbeiter haben nämlich keinen Schreibtisch und auch keinen Zugang zum Firmennetzwerk, und sind obendrein oft unterwegs. An Dokumente zu Kunden, Aufträgen oder Projekten kommen sie nie dran, schon rein technisch nicht weil unsere IT das Netzwerk (aus Angst?) so dermaßen verrammelt hat, dass keine Luft zirkuliert. Dementsprechend haben sie auch keine Informationen. Das sorgt regelmäßig und immer mehr für Unmut, zurecht wie ich finde. Lange Rede kurzer Sinn, jetzt haben wir es eingeführt. Also, ich. Die IT hält sich raus weil sie es persönlich nimmt, dass ich an der Gesamtsituation etwas ändern wollte, und die Öffnung des Netzwerkes ihrem grundsätzlichen und schon seit Jahrzehnten erfolgreich gepflegtem Bestreben zuwider läuft, jegliche Datenkommunikation mit der Außenwelt im Keim zu ersticken. Jetzt hab ich den Kram auf dem Schreibtisch und kümmere mich alleine drum. Geht auch ganz gut, der Dienst ist kein Hexenwerk. Jetzt, wo es läuft und funktioniert und alles gut ist, bin ich aber auch wieder ein Stückweit auf die anderen angewiesen, dass sie es auch nutzen. Und, was soll ich sagen, macht keiner. Als Admin sehe ich, wie die privaten Ordner des Speichers volllaufen und die Firmenverzeichnisse, die in denen die Zusammenarbeit stattfindet, komplett verwaisen. Da ist nichts drin. Nada. Das heißt im Klartext: die freuen sich, dass sie jetzt Speicherplatz auf Firmenkosten für sich selbst nutzen können und vom Handy und dem privaten PC Zugang haben, an der Gesamtsituation ändert sich aber nichts. Ich habe die gesamte Struktur der Firmen-IT im Cloudspeicher nachgebildet, mit sämtlichen Nutzergruppen, Rechten und Ordnern. Man muss nur noch den ganzen Kram dahin verschieben, kann wie gewohnt weiter machen, hätte aber den Vorteil dass endlich mal Zusammenarbeit stattfindet mit dem Großteil der Belegschaft, die keinen Schreibtisch haben. Ich hab alle, jeden einzelnen, geschult, Hilfestellung gegeben, weiter geschult, und war als Nanny an jedem gottverdammten Computer und habe zwischen Kaffeetasse und Familienfotos an jedem einzelnen Schreibtisch und neben jedem einzelnen Kollegen gesessen. Ich könnte Geld vom Anbieter verlangen für die Mühe. Was nutzt der ganze Kram aber, wenn ihn keiner nutzt. Der Unmut außerhalb der „Schreibtischabteilung“ wird immer größer, weil die ja immer noch blind und taub durch die Gegend taumeln. Und was kommt aus der Schreibtischabteilung selbst? Ja, nee, ich weiß nicht, ich kann ja nicht einfach… Doch! Sie könnten einfach, machen aber nicht. Spätestens an diesem Punkt sollte ich mich rausziehen. Ich sollte zum großen Chef gehen und sagen: vergiss es, spar Dir die Kohle. Es nutzt keiner. Was hilft es, wenn man Methoden und Möglichkeiten entwickelt und bereitstellt, die an der Unlust der Mitarbeiter scheitern. Dann sind sie es halt selber schuld wenn sie unzufrieden sind.
Ein Blick in die Glaskugel öffnet den Horizont. Nach kurzer Zeit versinken wir wieder im digitalen 18. Jahrhundert und alle unsere Daten liegen sicher verschlossen im Serverschrank im Keller. Vorteil: keiner kommt dran. Nachteil: keiner kommt dran. Es scheitert nicht an den Möglichkeiten. Es scheitert an den Menschen.