Weihnachtsmarkt

Alle Jahre wieder kommt der Weihnachtsmarkt. Obwohl der Dezember meist kalt und grau ist, empfinde ich eine angenehme Wärme, wenn ich daran denke. Nicht nur wegen des Glühweins. Um ehrlich zu sein, mag ich Glühwein noch nicht einmal besonders. Wenn ich die letzen Jahre gedanklich Revue passieren lasse, war selten mehr als ein Becher Glühwein für mich dabei, pro Saison wohlgemerkt. Das wirklich schöne am Weihnachtsmarkt ist auch nicht der Alkohol, sondern eine Mischung aus Altertümlichkeit und den Erinnerungen an Weihnachten im Kreis der Familie als meine Großeltern noch lebten.

Es wurden Geschenke gebastelt und Plätzchen gebacken. Es lag Schnee draußen und durch die frühe Dunkelheit hatte ich als kleines Kind immer das Gefühl ganz besonders lange wach bleiben zu dürfen. In diese Erinnerungen ist auch der Weihnachtsmarkt verstrickt. Kleine Buden mit Kunsthandwerk und Blechspielzeug, der Geruch von Maronen und Zuckerwatte. Das Läuten der Glocken zur vollen Stunde und der Chor, der auf dem Markt Weihnachtslieder singt.

All das gibt es noch immer. Der Weihnachtsmarkt in meiner Lieblingsstadt hat sich nur wenig verändert. Es gibt mehr Buden mit Fresskram und weniger Buden mit wirklich schönem Kunsthandwerk, aber die Maronen sind noch da, die Glocken läuten noch immer und auch der Chor ist nach wie vor fester Bestandteil des Marktes. Sollte der Chor einmal eingespart werden, ginge mit einem Schlag ein wichtiger Bestandteil verloren. Am schönsten sind die Buden, bei denen sich die Besitzer Mühe mit der Dekoration geben. Girlanden aus Tanne und vereinzelten bunten Glühbirnen zieren alle Buden. Aber manche stellen echte Kerzen auf, zünden Duftkerzen an und tragen eine rote Mütze auf dem Kopf. Das macht ordentlich was her.

Während ich stundenlang über den Markt spaziere und mich in Erinnerungen an die Vergangenheit verliere, an meine Großeltern, den Tannenbaum im Wohnzimmer mit den echten Kerzen, die vorgelesene Weihnachtsgeschichte und all die wunderschönen Dinge, wird meine Aufmerksamkeit zwischendurch immer wieder von den Büdchen erhascht, die fast noch genau so aussehen wie vor dreißig Jahren. Auch jetzt noch, im höheren Alter liebe ich die Buden mit Blechspielzeug. Schon als Kind konnte ich nicht genug bekommen. Jeder kennt bestimmt die aufziehbaren Hüpftiere, und das Boot was angetrieben von der Wärme einer kleinen Kerze durch das Wasserbecken tuckert. Die Klassiker sind auch heute noch zu haben, und ich scheine nicht das einzige Kind zu sein, was noch Spaß daran hat: es herrscht immer ein reges Gedränge mit staunenden Augen aller Altersgruppen vor der Holzbude. Meine Oma blieb bei den Buden mit Wollschals und Mützen stehen. Sie hat zwar nie welche gekauft, weil sie sie lieber selbst gestrickt hat – während ich verzweifelt versucht habe, ein schönes Geschenk zu basteln. Also auch während der Weihnachtszeit. Eine Kleinigkeit jedoch wurde immer gekauft. Und zwar immer in rauen Mengen: Räucherkerzen für das Räuchermännchen. Aber nur Tannenduft, und nur der gute aus „der DDR“, wie es damals so schön hieß. In jedem Jahr mindestens drei Päckchen obwohl sie nie alle aufgebraucht wurden, und in jedem Jahr mindestens ein Päckchen mit einem exotischen Duft, der nach dem Kauf direkt wieder im Schrank verschwand. Der Tannenduft blieb einfach immer die Nummer 1. Wenn meine Großeltern den Weihnachtskoffer aus dem Keller geholt haben, in dem neben dem Baumschmuck und den Engelsfiguren auch die Fensterbilder aufbewahrt werden, stellten sie fest dass noch sooo viele Räucherkerzen aus dem letzten Jahr da waren, die dann zuerst verbrannt werden mussten. Wenn wir also eins im Überfluss hatten, waren es kleine grüne Duftkerzchen.

Jetzt ist es wieder so weit: Vorweihnachtszeit. Ein paar Mal bin ich schon über den Markt geschlendert, und ich werde mich bestimmt noch ein paar Male ins Gedränge stürzen. Während ich übers Jahr versuche, Menschenansammlungen zu vermeiden, weil ich mich darin nicht wohl fühle, ist es jetzt genau anders herum. Auch das gehört zur vorweihnachtlichen Stimmung.