Digital Natives

An so einem sonnigen Tag wie heute wünsche ich es mir sehnlichst, einfach meinen Laptop zu schnappen und mich damit an einen schönen Ort zu verziehen. Ich würde durchaus an diesem Ort auch arbeiten und fleißig sein, zum Beispiel in einem Straßencafé, oder an einem schönen See; meine Vorliebe für Gewässer ist in den vorangegangenen Beiträgen wahrscheinlich schon deutlich zum Ausdruck gekommen.

Digital Native nennt man so jemanden, der zum Arbeiten kein Büro mehr braucht, sondern der genau dort arbeitet, wo er sich gerade aufhält. Das kann zuhause sein, oder in einem Co-Working-Space in der Stadt, oder vielleicht sogar in einem ganz anderen Land, weit weg vom nächsten Arbeitskollegen oder Kunden. Berufe, bei denen keine unmittelbare Nähe zu anderen oder Auftraggebern notwendig ist, eignen sich naturgemäß ganz besonders für diese Arbeitsweise. Vielmehr würde ich es nicht als Arbeitsweise sondern als Lebensweise bezeichnen. Die kreativen Berufe wie Designer, Programmierer oder Werbetexter sind prädestiniert. Ihnen kommt es zugute, dass sie nicht in einem stickigen Büro sitzen müssen, wo ihnen das Gequatsche der Kollegen auf die Nerven geht. Ihre Produktivität steigert sich durch diese Lebensweise, bedingt durch einen Arbeitsplatz, der sich an einem schönen Ort befindet. Damit ist ihnen selbst geholfen, und natürlich ihrem Arbeitgeber, so sie denn überhaupt einen haben und nicht selbständig unterwegs sind.

In einem Fernsehbericht wurden vor geraumer Zeit Freiberufler vorgestellt, die auf diese Art und Weise ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie reisen um die Welt und haben naturgemäß auch relativ niedrige Lebenshaltungskosten. Eine ausreichend schnelle Internetverbindung und ein Mobiltelefon funktionieren auch in einer kleinen Hütte am Strand in Thailand oder auf den Seychellen. Mehr braucht man nicht, um mit Kunden in Verbindung zu bleiben und ihnen die neuesten Updates der geleisteten Arbeit zukommen zu lassen.

Zusammenarbeit wird groß geschrieben. Man kennt sich und knüpft Kontakte, um bei zukünftigen Projekten zusammenarbeiten zu können, selbst wenn jeder schon wieder auf einem anderen Kontinent unterwegs ist. So entstehen Synergien, die in einem kleinen muffigen Büro in der Berliner Innenstadt wahrscheinlich nicht aufgekommen wären. Vorausgesetzt, die Digital Natives sind kompetent und wissen ihr Potential zu nutzen.

Manche lassen sich noch nicht einmal mehr in realen Währungen bezahlen. Wie das in der Praxis funktioniert, wenn man in Thailand am Strand sitzt und sich für einen Werbetext in Bitcoins bezahlen lässt, erschließt sich mir noch nicht so ganz. Sind vielleicht aber auch nur ganz wenige in der sowieso schon kleinen Gruppe der Digital Natives, die auf diese Art und Weise ihre Geschäfte erledigen.

Das klingt ja alles ganz verlockend. In schöner Umgebung und unter Einsatz der minimalsten Mittel (Laptop und Internetzugang) Geld zu verdienen und ein schönes Leben zu haben. Ich unterstelle mal ein schönes Leben, denn ansonsten würden sie das ja nicht tun. Dass man bei dieser Lebensweise sämtliche Sicherheit aufgibt, die einem die Sozialsysteme bieten, ist bestimmt den meisten bewusst, die sich offenen Auges für diese Art zu Leben und zu Arbeiten entschieden haben. Würde ich das auch wollen? Da antworte ich mal mit einem klaren Jein. Teile davon hätte ich gerne. Zum Beispiel die ortsungebundene Arbeit an schönen Plätzen auf der Welt. Da würde es mir auch einfacher fallen, konzentriert zu sein. Denn an einem normalen Bürotag – sind wir doch mal ehrlich – geht zu viel Zeit für sinnlose Telefonate und ergebnislose Besprechungen drauf. Alles Arbeitszeit, die, könnte man sie sinnvoller nutzen und hätte einen besseren Einfluss auf deren Verwendung, zu einem Plus an Lebenszeit führen kann. Diese wiederum ist an schönen Orten schöner zu verbringen. Eine einfache Rechnung. Einen gewissen Prozentsatz meiner Arbeit könnte ich sogar ortsungebunden bestreiten, denn meine Präsenz ist oftmals nur bedingt erforderlich. Ich bin im Büro weil dort, nun ja, mein Büro ist. Woanders könnte ich durchaus effektiver tippen und denken, während mein Blick über das Meer streift, zum Beispiel.

Auf Annehmlichkeiten meiner Festanstellung möchte ich aber nicht vollständig verzichten. Die soziale Absicherung ist mir viel wert. Und wenn ich gesundheitlich mal nicht so auf der Höhe bin, bin ich auch über mein eigenes Bett in meiner eigenen Wohnung dankbar und schätze den kurzen Weg zum Hausarzt ein paar Straßen weiter. Alles Dinge, die einem Digital Native wohlmöglich vollkommen abgehen.

Also läuft es am Ende doch auf eine Plattitüde hinaus: wenn es gut läuft, läuft es gut. Und wenn es schlecht läuft, nun ja. Solange die Aufträge fließen und das Geld kommt und die Gesundheit keinen Anlass zur Sorge gibt, ist das ein sehr beneidenswerter Zustand. Aber irgendwann wird man krank, ein paar Kunden springen ab, die Welt ist nicht mehr rosig. Wenn man sich dann nach einem Zuhause sehnt, gibt es durchaus angenehmere Orte an denen man sich mal gehen lassen kann als in einem Co-Working-Space in Thailand. Und plötzlich sieht die Heimat gar nicht mehr schlecht aus, denn auch hier gibt es schöne Flecken. Überall dort, wo Meer in der Nähe ist. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur zu alt für den Scheiß. Das wird es ein. Eine schöne Vorstellung ist es dennoch. So ganz ungebunden an den schönsten Plätzen dieser Welt.