Strom für alle

Dass ich kein besonders großer Freund der Elektromobilität bin, ist in meinem Bekanntenkreis kein Geheimnis. Dabei bin ich weniger skeptisch was die Leistungsfähigkeit der rein elektrisch angetriebenen Autos angeht, viel skeptischer jedoch in Bezug auf deren Alltagstauglichkeit. Die Reichweiten der Autos werden größer und die Batterien leistungsfähiger, dessen bin ich mir sicher. Leider ist das nicht alles.

Mir stellt sich viel mehr die Frage: wo lade ich denn die Karre auf, wenn sie leer ist? Ich habe kein Haus mit Stromanschluss in der Garage, ich wohne zur Miete, in einem Mehrfamilienhaus in der Stadt. In einer Stadt, deren Bevölkerungsdichte in den letzten Jahren immer weiter zugenommen hat, in der Wohnungsknappheit herrscht und steigende Mieten. Kurzum: in einer Stadt wie wahrscheinlich jeder anderen in Deutschland. Die Menschen ziehen vom Land in städtische Regionen, das ist ja genau die Wurzel von so vielen Problemen.

Dass sich daran etwas ändert, dass also in naher Zukunft wieder mehr Menschen die ländlichen Regionen bevorzugen, halte ich für so gut wie ausgeschlossen. Das Leben auf dem Land ist nur für wenige Familien mit Kindern attraktiv, und selbst die kühnsten Infrastrukturprojekte zur Stärkung der ländlichen Regionen werden wahrscheinlich mittel- bis langfristig nur wenig an der Landflucht ändern.

Aber kommen wir zurück zu meinem Problem mit der Elektromobilität. Wie sollen die Millionen Menschen in den Städten sinnvoll ihre steuerlich subventionierten Elektroautos laden? So ein Ladevorgang ist ja eher eine Sache von Stunden oder Nächten, als von Minuten. Es muss also ausreichend Ladeinfrastruktur geben. Wo soll die hin? Wenn wir mal alle physikalischen Gesetze und auch das Problem der Finanzierung außen vor lassen, könnten natürlich an jede Laterne drei E-Zapfsäulen montiert werden. Und in jedes Parkhaus, auf jeden Parkplatz und selbst in die hinterletzte Ecke, in der gerade noch ein Auto Platz findet. Aber mal im Ernst: wollen wir denn die physikalischen Gesetze außer Acht lassen? Und die Finanzierbarkeit auch? Es gibt auf der Straße mehr Schlaglöcher als tadellosen Asphalt. Die Stadt sagt: wir haben kein Geld für die Reparatur. Wenn es schon daran mangelt, wer bezahlt denn dann den Irrsinn? Ich vermute mal, dass man zu jeder Laterne extra Kabel verlegen muss, denn der Querschnitt der Kupferkabel, die bis jetzt den Strom für das Straßenlicht liefern, reicht vermutlich nie im Leben aus um gleichzeitig noch hundert Autos auf einer Strecke von dreihundert Metern zu laden. Hochgerechnet auf alle Parkplätze und die ganze Stadt? Gute Nacht Marie!

Also in den kommenden, sagen wir mal fünfzig Jahren, keine Ladesäulen an Straßenlaternen. Was nehmen wir dann? Tankstellen mit Super-Hyper-Schnellladesäulen? Die Batterie ist voll in vier Stunden? Halte ich ebenso für ziemlich unrealistisch, abgesehen davon dass dann ja jeder sein Auto über Nacht an der Tanke stehen lassen müsste. Kann man also vergessen, den Plan. Auch schon einmal gehört: der Akkutausch. Leerer Akku raus, voller Akku rein, und schon kommt man wieder ein paar hundert Kilometer. Bis jetzt das realistischste Vorhaben, bezogen auf die Alltagstauglichkeit. Und an den Tankstellen lagern mehrere hundert Akkus, die immer geladen werden. Man will ja nicht dass keine Akkus mehr da sind und der Kunde liegen bleibt. Hm. Auch dieser Plan erscheint mir gewagt, vor dem Hintergrund dass die Akkus der teuerste und umweltschädlichste ist Teil des Elektroautos sind. Davon dann mindestens doppelt so viele auf der Welt zu haben wie Autos, würde uns an anderer Stelle die Bilanz versauen. Somit wird auch der Plan des Akkutausches schwierig. Realistischer als alles andere bis jetzt, aber dennoch sehr gewagt.

Egal wie man es dreht und wendet: ich kann der E-Mobilität für Autos nichts abgewinnen. Egal wie toll die neuen Modelle alle sind und wie weit man mit ihnen fahren kann, bevor der Saft ausgeht.

Was ich mir indes doch besonders gut vorstellen kann: E-Mobilität im Kleinen. Sowas wie die E-Scooter. Die Dinger kann man in die Wohnung schleppen und dort problemlos aufladen. Gleichzeitig belegen sie keinen Parkplatz in der Stadt, weil jeder seinen Scooter unterm Arm mit in den Supermarkt schleppt. Ich könnte mir vorstellen, das zukünftige Erfindungen gerade im Bereich der „Mini-E-Mobilität“ aussichtsreich sein können. In der Stadt kann man damit viel abdecken. Solange es nicht regnet oder schneit und man immer alleine unterwegs ist und keine Wasserkisten schleppen muss. – Ich weiß, ich bin ein Pessimist.

Und auf dem Land? Und für die Fernstrecke? Und für den Lastverkehr? Und für die Eisenbahn? Ich verstehe nicht, warum die alternativen Antriebe mit Brennstoffzellen immer wieder tot geschwiegen werden. Meiner Meinung nach ist das die einzige Lösung für das Dilemma, in dem wir stecken. Leider hat die Brennstoffzelle keine Lobby, zumindest nicht in Deutschland.