Reha für Anfänger

Schon vor vielen Jahren hat mir meine Ärztin vorgeschlagen, mich wegen meiner chronischen Erkrankung in eine Kur zu begeben. Ich habe abgelehnt und war froh, dass sie mich nicht mehr darauf angesprochen hat. Irgendwann wechselte meine Ärztin, dann wechselte ich das Krankenhaus, und nach unzähligen Aufforderungen, doch endlich mal die Kur zu machen, die Patienten mit meiner Krankheit zusteht, fielen mir irgendwann keine Argumente mehr ein, es nicht zu tun. Oder anders: meine aktuelle Ärztin lässt keins meiner Argumente gelten.

Warum ich mich bisher immer gegen eine Reha gesperrt habe? Das hat viele Gründe. Der erste und für mich wichtigste: ich habe mich noch nie so krank gefühlt, als dass ich einen mehrwöchigen Aufenthalt in einer Kurklinik für notwendig erachtet habe. Im Vergleich zu anderen Patienten mit meiner Krankheit und in meinem Alter lebe ich ein fast normales Leben. Warum sollte ich dann eine teure Reha-Maßnahme machen, wenn ich daraus keinen direkten Nutzen ziehen kann. Ein zweiter Grund: ich habe mein Leben lang großen Abstand zu anderen Patienten mit meiner Krankheit gehalten. Keine Selbsthilfegruppe, kein Interessenverein, kein Kontakt. Früher wurde mir auch das oft vorgeschlagen: melde Dich doch im Verein an, daraus kannst Du Vorteile ziehen. Ich wollte das nie und habe das nie gemacht; ich glaube auch, dass ich nichts verpasst habe.

Da meine Ärztin nun aber kein Argument mehr gelten lässt, habe ich mich breitschlagen lassen. Steter Tropfen höhlt den Stein. Im letzten Jahr habe ich die ersten Papiere ausgefüllt und an die Rentenstelle geschickt. Zu meiner Überraschung bekam ich innerhalb weniger Tage eine Zusage, und auch schon einen Platz in einer Kurklinik zugewiesen. Offenbar war auch die Rentenstelle überzeugt, dass eine Rehabilitation der Erhaltung meiner Arbeitsfähigkeit dienen würde, so schnell wie der Verwaltungskram von denen abgearbeitet wurde. Zum Glück brauchte ich allerdings die Reha im letzten Jahr nicht anzutreten, weil die Kurklinik, die man ausgesucht hatte, nicht den Vorstellungen meiner Ärztin entsprach. Sie sagte, ich solle sämtlichen Bescheiden widersprechen. Gesagt, getan. Ich hoffte, dem ganzen Thema erneut zu entkommen. Leider habe ich da die Rechnung ohne meine Ärztin und die übereifrigen Mitarbeiter bei der Rentenversicherung gemacht. Denn in diesem Jahr ging der Spaß von vorne los. Wieder kam die Zusage innerhalb von Tagen. Obwohl der ganze Prozess üblicherweise Wochen dauert, bis die ersten Antworten in Briefform eintrudeln. So sagte es mir zumindest meine Ärztin, die ebenfalls verwundert war über die schnelle Bearbeitung.

Nun habe ich also den Salat. Ich werde eine Rehabilitation antreten und muss für drei, eventuell für vier Wochen in eine Kurklinik. Es hat einen Vorteil: ich muss drei oder vier Wochen nicht arbeiten. Auch die geographische Lage der Klinik sagt mir sehr zu, allerdings habe ich nach wie vor keine gesteigerte Lust, wochenlang mit anderen Patienten irgendwelche Gruppenübungen zu machen und Zeit zu verbringen. Wie gesagt: ich habe das bisher immer vermieden. Ich wollte nie Kontakt zu anderen haben und will ihn auch noch immer nicht. Bei der anstehenden Kur kann ich mich dem Kontakt aber nicht mehr entziehen.

Nach wie vor bin ich unglücklich mit der Maßnahme. Würde jemand vorschlagen, ich bekäme vier Wochen bezahlten Urlaub und könne die Zeit für mich verbringen, in der Gegend der Kurklinik aber alleine und ohne Kontakt zu anderen kranken Menschen, ich würde sofort zustimmen.

Es vergehen noch ein paar Monate bis es los geht und ich dort hin fahre. Vielleicht fällt mir noch ein triftiger Grund ein, den ganzen Zirkus abzusagen.