In Zeiten zunehmender Digitalisierung ändern sich die Arbeitsbedingungen für ganze Generationen von Menschen. Überhaupt ist Digitalisierung ein Schlagwort, was fast ausschließlich als Synonym für Veränderung, Entwicklung und Zukunftsaussichten Verwendung findet. Denn digitalisiert wird da in den wenigsten Fällen noch etwas, meist ist es sowieso schon seit langem digital. Die Menschen, die durch die veränderten Rahmenbedingungen in ihrem Dasein beeinflusst werden, bleiben aber ihr Leben lang analog. Sie müssen sich nur in einer neuen Welt zurecht finden.
Diese neue Welt bringt für viele eine Verbesserung des Lebens, dessen bin ich mir sicher. Man muss sich aber darauf einlassen können. Gerade ältere Generationen, und zu denen zähle ich mich mit meinen mehr als 40 Lenzen durchaus auch, haben möglicherweise eher Probleme mit der Anpassung an die neuen Umfelder.
Vieles wird es immer geben. So zum Beispiel das Handwerk. Wir werden immer Maurer, Maler, Schlosser und Elektriker brauchen. Ebenso Landwirte und Gartenbauer. Auch ohne Ärzte und Krankenpfleger geht es nicht. Ich glaube, dass sich bei all diesen Berufen der Einfluss der Digitalisierung in Grenzen hält. Klar, sie werden vielleicht unterstützt durch immer bessere Computerprogramme zur Diagnose von Krankheiten, durch elektrische Hilfsmittel aus dem Bereich der Robotertechnik, und durch bessere und genauere Vorhersagen für Landwirte. Vielleicht huscht auch irgendwann ein Roboter über ein Feld und erntet Erdbeeren, aber ich glaube dass der Großteil der manuellen Arbeit unverändert bleibt. Geld wird auch dann immer noch mit gutem handwerklichen Geschick und der Fähigkeit verdient, mit den eigenen Händen etwas zu erschaffen, zu pflegen, zu bauen. Anders sieht es bei den Berufen aus, die schon heute überwiegend am Computer stattfinden. Ob der Bedarf an Versicherungsmaklern und Sachbearbeitern in Zukunft nicht eher rückläufig sein wird, aufgrund von besserer und effektiverer Arbeit durch Computer, das möchte ich nicht ausschließen.
Für Menschen in bestehenden Arbeitsverhältnissen sieht es dann düster aus. Was wird aus ihnen, wenn der Job von einem Computer übernommen wird? Was wird aus all denen, die seit Jahrzehnten ihren Lebensunterhalt mit ihrer analogen Arbeit verdient haben? Ist für sie noch Platz in der Gesellschaft? Können die sich alle umschulen lassen? Und vor allem: zu was? Rein zahlenmäßig werden immer weniger Arbeitskräfte benötigt, wenn Arbeit von Computern und Robotern übernommen wird. Das ist wohl unbestritten. Also muss es dafür einen Ausgleich geben. Es müssen neue Arbeitsfelder erschlossen werden. Neue Berufe, oder neue Wege die bestehenden Aufgaben zu behandeln. Die Stellen die in der Entwicklung und Produktion der Computer, der Software und der Roboter entstehen – sofern sie überhaupt hier entstehen und nicht in Fernost oder den USA – werden so hochqualifiziertes Personal benötigen, dass man sich kaum dazu umschulen lassen kann; das sind Aufgaben für junge Leute, die frisch aus der Universität kommen. Ob unsere Absolventen dabei im internationalen Wettbewerb bestehen können, wage ich zu bezweifeln, wenn ich in der Straßenbahn sitze und die Generation betrachte, die mal meine Rente bezahlen muss. Aber das ist ein anderes Thema, ich schweife ab.
Auch meine Arbeit wird früher oder später der Digitalisierung zum Opfer fallen. Zwar kann man meine Tätigkeit nicht einfach Eins zu Eins durch einen Computer oder Roboter ersetzen, aber ich befürchte, dass vielmehr die gesamte Branche, in der ich tätig bin, als Folge der Digitalisierung, sozusagen als sekundäre Entwicklung, deutlich schrumpfen wird. Ob sich dass noch zu meinen Lebzeiten auf mich und mein Angestelltenverhältnis auswirken wird, kann ich überhaupt nicht einschätzen. Das macht mir Angst.
Es lässt mich nach Alternativen Ausschau halten. Diese Alternativen muss ich außerhalb meiner angestammten Branche suchen. Denn wenn die ganze Branche schrumpft, werde ich mir nicht einfach einen anderen Job in einer anderen Firma in der selben Branche nehmen können.
Ich schaue mich um, denke sogar ernsthaft darüber nach, mit über 40 Jahren noch einmal komplett neu anzufangen. Meine persönlichen Verhältnisse würden es erlauben; ich bin ungebunden und habe keine Kinder. Gleichzeitig würde ich aber einen Großteil meiner Sicherheit aufgeben – die ja eigentlich eher eine sehr zweifelhafte Sicherheit ist, beim Blick in die Zukunft.
Das ist ein Prozess des Nachdenkens über viele Monate. Und je mehr Zeit ins Land streicht, desto sicherer werde ich mir meiner Sache, nochmal komplett neu anfangen zu wollen. Es ist eine luxuriöse Situation: ich habe einen Job, ich habe keine Not. Ich kann in Ruhe suchen und vielleicht irgendwann den Absprung schaffen. Wenn ich dann nicht schon zu alt für einen Wechsel sein sollte.