Ein Platz am See

Der Sommer kommt. In diesem Jahr hoffentlich nicht mit so lange anhaltender und extremer Dürre wie im vergangenen. Denn das war doch etwas zu viel des Guten. Zwischendurch hätte Regen gut getan, und ich erinnere mich, dass mir irgendwann auch die Hitze zu Kopfe stieg. Dafür, dass ich ein Freund gemäßigter Temperaturen bin, habe ich überraschend lange ausgehalten bis mir die grinsenden Meteorologen im Fernsehen auf den Nerv gingen.

Überhaupt mag sich mir nicht erschließen, was an einem so extremen Sommer schön ist. Jeder neue Temperaturrekord wurde mit lobenden Adjektiven versehen. Das hochsommerliche Wetter konnte nicht schöner und toller sein. In meinen Augen war es weder das eine noch das andere. Es war einfach nur viel zu heiß, viel zu trocken, und das alles viel zu lange. Tolles Sommerwetter war das nur ganz kurz. Und ich glaube dass mir Meteorologen, Biologen und Klimaforscher insgeheim Recht geben.

Um bei diesen Temperaturen einen halbwegs kühlen Kopf zu bewahren, habe ich es gemacht wie so viele Stadtmenschen: ich bin an den nächstbesten See gefahren. Um dann festzustellen, dass der nächstgelegene See absolut überlaufen ist. Eigentlich hätte ich mir das denken können, denn wenn auch nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung aus der Stadt an den See flieht, dann ist der See schnell voll. So viele Seen gibt es nicht im Umkreis, dass jeder ein drei Quadratmeter großes Fleckchen am Ufer für sich hätte haben können.

Das war aber mein Anspruch. Ich wollte nicht nur das kühlende Wasser haben, ich wollte es bestenfalls auch für mich alleine haben. Soviel Lebensraum muss sein, erst Recht im Sommer und bei der Hitze. Also habe ich angefangen, die etwas entfernter liegenden Seen zu erkunden. Mit dem Auto habe ich jedes Gewässer im Umkreis von 100 Kilometern besucht. Bin um jedes herumgefahren, habe jeden Parkplatz angeschaut, jeden Uferbereich, jede Böschung. Das hat einige Zeit in Anspruch genommen, aber der Sommer war ja auch lang. Dafür habe ich jetzt detaillierte Kenntnis über jedes kleine Baggerloch. Und jedes größere auch. Das ernüchternde: nur die wenigsten sind badetauglich. Entweder gibt es keine Zugänge, der Uferbereich ist zugewachsen, das Gewässer ist zu stark verschmutzt, oder es ist schlicht und ergreifend verboten, den großen Zeh hineinzuhalten. Gerne auch alles gleichzeitig. Das hat mich zu Beginn meiner Suche ziemlich frustriert. Gibt es wirklich keine einsame Oase im Umkreis?

Doch. Es gibt sie. Ich kann stolz behaupten: ich habe sie gefunden. Gut 50 Kilometer entfernt gibt es einen See, der auf ewig mein Geheimtip bleiben wird. Kristallklares Wasser, sanfte Böschung mit Sand oder feinem Kies rund herum, mitten im Wald. Auch zur heißesten Zeit nicht von Blaualgen besiedelt weil fließendes Gewässer. Offiziell zum Badesee erkoren, aber aufgrund der Größe des Sees mit genügend Rückzugsmöglichkeiten in den verwinkelten und einsamen Ecken. So einsam dass ich es wagte, ohne Badehose schwimmen zu gehen und mich ohne Badehose in die Sonne zu legen. An mehreren Tagen am Stück, von morgens bis abends, ohne gesehen zu werden. Nur ganz selten und immer in ausreichender Distanz schipperten Schlauchboote oder Stand-Up-Paddler vorüber.

Schon freue ich mich wieder auf den Sommer. Die Erinnerung an die einsamen Tage am Wasser, die wie ein Kurzurlaub sind. So muss es sein. Welcher See und wo? Keine Chance! Das bleibt mein Geheimnis.