Je älter ich werde, desto weniger gerne arbeite ich mit Profilneurotikern zusammen. Es gibt die verschiedensten Ausprägungen dieses Charakters, und ich habe das Gefühl dass sich alle in der Branche tummeln, in der auch ich arbeite.
Da gibt es den Schreihals. Genau genommen schreit er nicht, er spricht nur nicht besonders leise. Er ist sehr überzeugt von sich und denkt, dass derjenige, der am lautesten spricht, Recht hat. Mit seiner Stimme übertönt er die leiseren Menschen, und lässt grundsätzlich niemanden gerne ausreden. Der Schreihals gerät immer dann in Bedrängnis, wenn er sich vor den Kollegen mit seinem lauten Organ aufgrund einer Falschaussage ins Abseits katapultiert hat. Um das zu kompensieren, wird er noch lauter und versucht den anderen einzureden, dass er es nicht so gemeint habe, sondern dass er nur nicht dazu kam, es richtig zu sagen. Weil andere ihn nicht ausreden ließen.
Dann gibt es den arroganten Kollegen. Er ist noch wesentlich überzeugter von sich als der Schreihals. Er hat immer Recht. Und wenn nicht, dann hat er trotzdem Recht. Er lässt keine andere Meinung neben der eigenen zu, auch wenn die andere Meinung nachgewiesenermaßen die richtige ist. In technischen Berufen ist es oftmals so, dass es nicht hilft eine falsche Meinung zu vertreten. Die Fakten sprechen für sich, und darüber kann man schlicht und ergreifend nicht geteilter Meinung sein. Außer er, der arrogante Kollege, der kann das.
Es gibt den Pudding. Der Pudding trifft nie eine verlässliche Aussage, er antwortet nicht auf Fragen, er hält sich immer ein Hintertürchen offen. Blöd ist, wenn er in einer Führungsposition sitzt. Was nach Murphys Law nicht unwahrscheinlich ist. Führungsqualitäten hat er im Grunde genommen aber nicht. Der Pudding behauptet sich gegenüber dem Schreihals und dem arroganten Kollegen nur dadurch, dass er ihnen auf dem Papier vorgesetzt ist. Er ist genau so geduldig wie Papier. Selbst wenn man eine konkrete Aussage zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigt, kann man sich sicher sein, sie nicht zu bekommen.
All denen gegenüber stehen die normalen Menschen. Die, die nicht zu laut sprechen und Fehler zugeben. Die auch anderen Fehler eingestehen und sie deswegen nicht lächerlich machen oder sich daraus einen Vorteil verschaffen. Es sind nur wenige, und oftmals gehen sie in der Masse der Schreihälse, Puddings und Arroganten unter. Viel zu häufig bekommen sie nicht die Chancen und die Anerkennung, die ihnen zusteht. Mit dem letzten kleinen Grüppchen macht die Arbeit Spaß. Mit denen kann ich gut umgehen. Alle anderen können mir gerne im Mondschein begegnen und sich gegenseitig das Leben schwer machen.
Ich habe nichts dagegen, wenn sie schon morgen früh damit anfangen würden.