Picasso reloaded

Mit Kunstwerken Geld zu verdienen mag ganz verlockend klingen. Man tut etwas, was einem Spaß macht, fordert und fördert seine eigene Kreativität immer wieder aufs Neue und kann damit seinen Lebensunterhalt bestreiten. Was mir jedoch zu denken gibt, ist das Alter des Künstlers. Ein sechsjähriger Junge, der seine Kunstwerke in Ausstellungen präsentiert und alle Bilder für mehr als 50.000 Euro verkaufen kann, das klingt ein bisschen merkwürdig. In einem Fernsehbericht wurde er als „junger Picasso“ bezeichnet, und sein Vater berichtet unter Tränen dass ihm schon vor langer Zeit aufgefallen sei, dass sein Sohnemann etwas besonderes ist. Deswegen habe er ihn ermutigt, weiter zu machen und sei jetzt auch emotional sehr ergriffen von dem Erfolg seines Kindes.

Ich würde mal provokant behaupten, dass der Vater emotional so ergriffen ist, wie es sich für mehr als 50 Kracher gehört. Die künstlerische Qualität des Nachwuchses stelle ich mal offen in Frage. Gib Deinem Kind eine Leinwand und Fingerfarbe und schau Dir das Ergebnis ein paar Stunden später an. Ob man das Gemälde dann für vier- oder fünfstellige Beträge unters Volk bringen kann, halte ich bei jedem anderen Kind für genau so wahrscheinlich wie beim jungen Picasso aus Köln. Viele Striche, bunte Farben von oben bis unten, Farbkleckse überall. Mag sein dass man Abstrakte Kunst schön findet, finde ich teilweise auch. Die Besucher der Ausstellung, die offensichtlich auch Interessenten oder Käufer sind, urteilten in dem Fernsehbericht mit Lobpreisungen wie „die vielen fröhlichen Farben“ und die „schönen, vollkommen gegenstandslosen Kunstwerke“ würden ihresgleichen suchen, aber nicht finden.

Ja. Gegenstandslose Kunstwerke. Dann kann ich auch zu Ikea gehen und mir einen Abdruck eines Kandinsky oder Malewitsch kaufen, Stichwort Schwarzes Quadrat auf weißem Grund, da bekomme ich den schönen Rahmen gleich dazu. Mit dem Unterschied dass jeder Kandinsky oder Malewitsch eine künstlerische Intention bei der Erschaffung seiner Werke hatte. Somit auch eine Rechtfertigung. Dieses sechsjährige Kind allerdings zu einem jungen Picasso zu machen, liebe Fernsehredakteure, dass halte ich für sehr übertrieben. Kindlichen Spieltrieb mit Fingerfarben und Leinwand gleichzusetzen mit Kandinsky & Co. ist ein bisschen am Ziel vorbei geschossen. Der Vater des kleinen Kindes indes hat offenbar alles richtig gemacht. Er sollte seinen Sohn so lange ausnutzen, wie dieser Freude am Spielen hat. Vielleicht findet er ja noch ein paar Deppen die viel Geld für hippe Farbkleckse ausgeben, weil es im Moment gerade im Trend liegt, viel Geld für ausgemachten Blödsinn aus dem Fenster zu schmeißen. Spätestens wenn dieser Trend zu kippen droht, sollte er die Reißleine ziehen und sich – sinnbildlich gesprochen – schnell mit seiner Familie aus dem Staub machen. Das Geld dafür hat er dann bestimmt zusammen.

Das Kunstwerk weiter oben ist übrigens kein Werk des Kölner Kunstgenies. Ich nenne es: Urbane Waben. Ein echter Ghost4Writing. Vielleicht bekomme ich ja auch ein paar Tausender dafür. Gestalterisch ist es auf gleichem Niveau, macht sich in überdimensionaler Größe aber bestimmt auch gut in der Lobby einer Anwaltskanzlei oder einer Werbeagentur.