Nach dem jüngsten Beginn der Eskalationsspirale zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn, die ich, wie zuvor schon erwähnt, nicht nachvollziehen kann, möchte ich nochmal ein Update nachlegen.
Bei einer meiner Zugfahrten wurde ich Zeuge eines Gesprächs zwischen zwei Lokführern, die am Startbahnhof einer S-Bahn Linie im Rheinland vor der Abfahrt noch kurz Zeit zum Plaudern fanden. Einer von ihnen war jünger und mutmaßlich noch nicht so lange im Geschäft, der zweite war in etwa in meinem Alter und sprach über seine Familie mit den Worten meine Frau, unsere Kinder und ich. Also verheiratet, mindestens zwei Kinder. Die beiden Lokführer unterhielten sich über ihre Disponenten und die Schichtzeiten der kommenden Tage. Dem Familienvater war Freizeit wichtiger, der jüngere wollte lieber mehr Geld verdienen. Was ich dann hörte, gebe ich genau so wieder, wie es gesagt wurde. Wenn ich gewusst hätte, was kommt, hätte ich das Gespräch aufgezeichnet und würde es jetzt der Presse zuspielen, vor den anstehenden Streiks der GDL. Hier die Sätze des Familienvaters im Wortlaut:
Ja, wenn die nächste Streikrunde kommt, ich weiß auch nicht. Natürlich mache ich mit, will ja solidarisch mit den Kollegen sein, aber eigentlich… ich hab sowieso die letzten Male anstatt der Erhöhung lieber die Urlaubstage genommen, ist mir lieber. Das Gehalt ist ja schon okay so, wir kommen sehr gut über die Runden. Und mir ist Freizeit wichtiger, wegen der Kleinen halt. Bin jetzt auf 41, und ein bisschen mehr wäre nicht schlecht.
Es ist schwierig, nachzuweisen, dass das von mir geschriebene so gesagt wurde, und dass es nicht frei erfunden ist. Aber ich würde es vor einem Richter schwören, wenn es notwendig sein sollte.
Zur Einordnung: der Familienvater hat 41 Urlaubstage, er kommt sehr gut mit dem Geld aus und kann eine Familie mit mindestens zwei Kindern ernähren. Ich gönne es ihm von Herzen, denn Lokführer sind entgegen der landläufigen Meinung keine Geradeausfahrer und haben einen belastenden Beruf, den ich sehr wertschätze und der angemessen bezahlt werden muss. Aber ganz so schlimm scheint der Schmerz ja nicht zu sein, mit 41 Tagen Urlaub und ausreichendem Gehalt.
Die Gewerkschaft lässt in einer Urabstimmung über einen unbefristeten Streik abstimmen, setzt Warnstreiks an, und ein Maßnahmenpaket bestehend aus 11% mehr Lohn und einem Inflationsausgleich von knapp 2.900 Euro reicht nicht aus? Man möchte zusätzlich auf Kraft die 4-Tage-Woche durchsetzen?
Schon heute fallen pro Tag viel zu viele Züge wegen Personalmangels aus. Wie weit möchte man denn den Zugverkehr noch einschränken, wenn plötzlich neben einem guten Gehalt und 41 Urlaubstagen noch die 4-Tage-Woche bei voller Lohnfortzahlung gilt? Ich frage für einen Freund.
Auch Verdi möchte für kürzere Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich kämpfen, weil der Öffentliche Dienst in diesem Aspekt schlechter dastünde als die Privatwirtschaft, so liest man in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 26.11.2023 (Quelle: https://www.faz.net/-gqe-bii92). Ich weiß nicht, von welcher Privatwirtschaft man redet. Aber die Privatwirtschaft, in der ich arbeite, und in der meine Bekannten und Freunde arbeiten, in angesehenen Unternehmen in einfachen Ingenieurs- oder Führungspositionen, da gilt bis zum heutigen Tag eine 40-Stunden Woche. Da stimmt doch irgendwas nicht. Ich frage schon wieder für einen Freund.
Man findet keine ausreichende Zahl an Fachkräften. Und dann möchte man auf eine 4-Tage-Woche runterkommen? Der logische Zusammenhang erschließt sich mir nicht so ganz. Klar, die Berufe würden attraktiver bei nur vier Tagen Maloche in der Woche. Aber nochmal: da sind schon jetzt nicht genügend Menschen im Markt. Wo sollen denn die zusätzlichen Kräfte alle herkommen? Möchte man das Land noch weiter herunterwirtschaften oder endlich mal anpacken, um es wieder besser zu machen?
41 Tage Urlaub. Genug Gehalt zur Ernährung einer Familie mit Kindern. Und dann streiken, weil es einem nicht schmeckt.
Irgendwas stimmt doch in diesem Land ganz gewaltig nicht.